Nach der Ankunft am Flughafen in Tel Aviv ging es per Bus in den Norden nach Haifa. Erster Eindruck: angenehme Temperaturen und viel Grün entlang der Strecke. Haifa, die prosperierende Stadt zwischen Meer und Karmelgebirge, zeigt vor, dass ein Zusammenleben unterschiedlicher Religionen möglich ist. Unser Hotel in Berglage bot einen wunderschönen Blick auf die Hafenstadt. Die erste Weisheit, die unser jüdischer Reiseführer vermittelte: Tel Aviv sei die Stadt zum Feiern, Haifa die Stadt zum Arbeiten und Jerusalem die Stadt zum Beten.
Weinbauliche Erkundungen
Die erste Station nahm das Weingut Amphora ein: etwas südlich von Haifa in einem Tal gelegen und benannt nach 2.000 Jahre alten Amphoren, die dort in der Nähe gefunden wurden. Auffällig das üppige Grün im Tal. Während Österreichs Frühjahr sich extrem trocken gab, war Israel mit Regen gesegnet. Die Weingärten des 1989 gegründeten Familienbetriebs liegen an den Westhängen des Karmelgebirges. Rund 300 Tonnen Trauben werden jährlich verarbeitet, etwa 200.000 Flaschen kommen jedes Jahr nach bescheidenen Anfängen mittlerweile in den Verkauf. Das Weingut lebt auch von Führungen mit Verköstigungen. Die Weine liegen im Preisband von 20 bis 45 Euro. Wir konnten die oberirdische Füllhalle und die unterirdisch situierten Barriquekeller besichtigen.
Zwei Weingüter nahmen wir im Bereich der Golanhöhen ins Visier. Der Weinbau fußt hier auf den vulkanischen Basaltböden. Die Niederschläge variieren von 300 mm im Süden bis zu über 1.000 mm im Norden und der Weinbau profitiert ganz wesentlich von der kühleren Höhenlage (bis auf über 1.000 Meter).
In zwei Jahrzehnten hat sich die Pelter Winery von einer Jahresproduktion von 4.000 auf 500.000 Flaschen entwickelt. Der Betrieb, dessen Symbol ein Falter ist, teilt sich in einen koscheren (Matar Winery, seit 2012) und einen nicht koscheren Betrieb. Die Weißweine wie Sauvignon Blanc, Riesling und Chardonnay des Letzteren zeigten sich fruchtig und leicht. Dahinter stecken hohe Erträge und wenig Alkohol. Eine frühe Lese lässt die Säure besser erhalten: je höher die Lagen, desto „kühler“ und besser die Weine. Die dichten, extraktsüßen Rotweine rund um Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Grenache und Shiraz beeindruckten am meisten. Brände zählen auch zum Portfolio.
In anderen Dimensionen bewegt sich die renommierte Golan Heights Winery nahe der Kleinstadt Katzrin. Ein Großbetrieb, rund 40 Jahre alt und mit einer mehr als 6 Millionen Flaschen großen Jahresproduktion. Yarden, Gamla, Hermon und Golan lauten die vier Weinlinien. Das drittgrößte Weingut Israels verfügt im Gebiet der Golanhöhen über 21 Rebsorten in rund 800 ha Weingärten auf Höhenlagen von 400 bis 1.000 Meter. Von den vier Weinlinien zeigt Yarden das große Potenzial des Landes auf. Für den Autor tolle rote Wein-Highlights der Reise, zudem auch international prämiert. Herausforderungen für den Betrieb sind die immer weniger werdenden Niederschläge. Bewässerung ist unumgänglich – Wasser aus den Wintermonaten wird gesammelt. Oidium ist hin und wieder auch ein Thema. Seit Covid mangelt es an Personal. Bei den günstigeren Preislinien setzt man auf Maschinenlese.
Auch das judäische Weinbaugebiet bei Jerusalem profitiert von der Höhenlage. So liegen die Weinberge der Domaine du Castel Winery auf etwa 650 bis 750 Meter Seehöhe. Eli Ben-Zaken gründete 1988 das erste Boutique-Weingut des Landes und führte es an die Spitze. Zuvor wurden zwar im Gebiet auch Trauben produziert, diese wurden aber an große Kellereien verkauft. Mittlerweile nehmen die Kinder die Führungsposition des modernen Betriebs mit 50ha ein. Da von April bis Oktober kein Regen fällt, muss bewässert werden. „Wer zahlt, bekommt vom Staat genug Wasser“, so der Seniorchef. Einige Fakten: durchschnittliche Ernte von ca. 10t/ha („Unter 70 bis 80hl/ha werde die Qualität nicht besser“, so Eli Ben-Zaken), Stammhöhe 60 bis 70 cm, Laubwandhöhe 1,2 m. Überzeugen konnten der Chardonnay, ein süßer Muscadel aus der Negev-Wüste und vor allem die Rotwein-Cuvées Ra’ziel und der Castel Grand Vin.
Unweit von Jerusalem, und zwar im Westen also Richtung Meer positioniert, nahmen wir das Weingut Tzuba unter Beschau. Am Standort der Kellerei dürfte es sich um einen historischen Weinplatz handeln, ein steinernes Weinbecken zeugt davon. Am Betrieb, noch keine 20 Jahre alt, werden rund 60.000 Bouteillen jährlich produziert. Basis sind die Terra-rossa-Böden, die Weingärten liegen auch hier auf rund 700 Metern. Im Gegensatz zu den anderen besichtigten Betrieben soll es hier keine Bewässerung geben. Das hat sich zum Teil in den Weinen unterschwellig bemerkbar gemacht.
Wasser ist auch ein großes Thema im Weingut Yatir, einem Boutique-Weingut nordöstlich der Negev-Wüste. Ya’acov Ben Dor, der heutige Geschäftsführer, pflanzte 1997 die ersten Weinstöcke im nahe gelegenen Yatir-Wald. Das Weingut Yatir liegt auch unweit der alten israelitischen Festung Tel Arad, 10 Minuten von den aufwendig geschaffenen Weinbergen des Yatir-Waldes entfernt. Das Weingut wurde im Jahr 2000 als Joint Venture zwischen lokalen Weinbauern und der Carmel Winery gegründet. Heutzutage produziert es 150.000 Fl./a. Im Laufe der Jahre hat es sich zu einem Aushängeschild der Region entwickelt. Die Weingärten liegen großteils auf einer Seehöhe von 800 bis 900 Metern und sind an verschiedenen Standorten im Wald verstreut. Die Sorten Zinfandel, Grenache und Shiraz sind auch in der Ebene zu finden. Die Region galt, außer zu muslimischen Zeiten, als eine der besten Weinregionen der Gegend. Hier wurden erste Versuche mit Tröpfchenbewässerungen gesammelt. Die gekosteten Weine lassen nicht erwarten, dass sie vom Rand einer Wüste abstammen. In der Ebene fallen hier 100mm Niederschlag, in den Bergen 150 mm jährlich. Wow!
Den weinbaulichen Schlusspunkt setzte das Weingut Cremisan der Salesianer (Don Bosco) in Bethlehem, also im Gebiet der Palästinenser. Die Kellerei ist das einzige christliche Weingut im Heiligen Land. Seit mehr als 125 Jahren bauen die Salesianer im Cremisan-Tal nahe Bethlehem Wein an. Der Erlös aus dem Weinbau wird für den Unterhalt ihrer Schulen und Berufsausbildungszentren verwendet. Man setzt auf autochthone Rebsorten wie Daboukey, Hamdany und Jandaly. Daraus werden mit italienischem Know-how leichte und frische Weine mit würzigen Aromen gekeltert. Jahresproduktion: ca. 200.000 Flaschen, 30% gehen in den Export. Preislich eher im unteren Bereich angesiedelt.
Touristische Highlights
Golanhöhen: Syriens Hauptstadt Damaskus liegt nur 65km entfernt, durch die Lage und den Weitblick (auch auf den Libanon) handelt es sich um ein militärisch höchst wertvolles Gebiet. International anerkannt als syrisches Gebiet, wurden die Golanhöhen im Sechstagekrieg 1967 von Israel besetzt und 1981 annektiert. Um das Wirken der galiläischen Weinbaubetriebe besser zu verstehen, war die Besichtigung der Golanhöhen, ein Hochplateau, von Vorteil. Das Gebiet rundherum ist schwach besiedelt, angeblich gibt es dort mehr Kühe als Menschen. Viele Minen aus der kriegerischen Vergangenheit sind bereits entsorgt, doch bei Weitem nicht alle.
See Genezareth: Der größte See Israels gehört zu den bekanntesten Zielen des Landes. Er spielt in den Evangelien eine große Rolle. Für Pilgerfahrten christlicher Gruppen gehört ein Zwischenstopp gewissermaßen zum Pflichtprogramm. Bei einer Bootsfahrt im traditionellen Holzboot wurde die österreichische Fahne gehisst und die Bundeshymne angestimmt. Beim berühmten Petrusfisch-Essen am See gilt Massenabfertigung.
Ort Magdala: Am Westufer des Sees Genezareth lebte der Überlieferung nach Maria, auch Magdalena genannt, die eine Anhängerin Jesu gewesen ist. Während Ausgrabungen im Magdala-Center kam eine Synagoge aus Jesu Zeit zutage.
Berg der Seligpreisungen – Jesus hat hier seine Lehre verkündet – und Kapharnaum, ein Fischerdorf mit alter Synagoge aus dem 3. oder 4. Jh. n. Chr. Hier hatte Jesus eine Zeit lang gewirkt und sich versteckt.
Tabgha, Austrittspunkt mehrerer Quellen, die in den See Genezareth münden, und christliche Pilgerstätte (Brotvermehrung Jesus).
Kreuzfahrer-Festung Akko: Die Festung aus der Mitte des 12. Jahrhunderts gewann Bedeutung durch die Hospitaliter, einen militärischen Mönchsorden, der Christen im Heiligen Land bei Krankheit betreute. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie überbaut und geriet in Vergessenheit. Erst in den 1960er Jahren wurden die ersten Bereiche freigelegt. Beeindruckende Säulenhalle.
Bethlehem: Besichtigung der katholischen Hirtenfelder, auch dort Spuren einer historischen Weinverarbeitung zu finden, und der Geburtskirche. Nur mehr wenige Christen leben in der Stadt. Weil palästinensisches Gebiet, führte uns hier ein palästinensischer Reiseführer. Nazareth: Besichtigung der Verkündigungskirche (größte christliche Kirche Israels).
Jerusalem: Geteilte Altstadt mit den jüdischen, armenischen, christlichen und arabischen Vierteln. Klagemauer, als Teil der Westmauer (Zugang nur für Männer). Via Dolorosa, die Straße (Leidensweg) Jesu von Nazareth großteils im arabischen Viertel Jerusalems verlaufend. Österreichisches Hospiz, eine Pilgerherberge aus der Mitte des 19. Jh. mit feiner Aussicht auf der Dachterrasse.
Kibbuz: Eine Art genossenschaftliche Siedlung im gemeinsamen Eigentum der arbeitenden Mitglieder, in der Regel wird Selbstversorgung angestrebt, immer öfter mit touristischer Nutzung. Wir nächtigten im großen Kibbuz Nof Ginosar, direkt am See Genezareth, wie auch im Ramat Rachel am Rande von Jerusalem, mit Blick auf Bethlehem.
Totes Meer: Kurzer, beeindruckender Badetrip bei deutlich höheren Temperaturen als im Norden bzw. in Jerusalem. Wurde früher vom Jordan gespeist, heute versiegt der Zustrom, weil auch zu viel Wasser entnommen wird. Das extreme Salzmeer bildet die Grenze zu Jordanien und Syrien, dessen Ufer mehr als 400 m unter dem Meeresspiegel liegen (niedrigster Punkt auf trockenem Land). Der hohe Salzgehalt (30%) lässt einen eher treiben als schwimmen. Im oberen Bereich wird Salz (Kalium!) abgebaut.
Welche Eindrücke bleiben
Ob Israel zur Alten oder Neuen Weinwelt gehört, darüber darf gestritten werden. Einerseits gibt es viele historische Belege für den Weinbau in der Antike, andererseits hat sich der Weinbau im heutigen Israel erst Mitte des 19. Jahrhunderts aufgebaut und die vergangenen drei Jahrzehnte rasant entwickelt.
Israels jüngste weinbauliche Erfolge fußen besonders auf zwei Faktoren: Der Staat stellt Wasser (kostenpflichtig) zur Verfügung. Die Bewässerung ermöglicht damit, die sehr trockenen Monate von April bis zur Ernte zu überstehen. Zudem: Der Weinbau geht in höhere Lagen, egal ob Golanhöhen, Weinbau bei Jerusalem oder am Rand der Wüste. Rebflächen auf und über 700 Meter profitieren von nächtlicher Abkühlung. Generell: je näher am Mittelmeer, desto wärmer und üppiger die Weine; im Norden „kühler“. Die Weine sind trotz hoher Erträge u.a. aufgrund hoher Steuern für alkoholische Getränke nicht billig. Koschere Weine, speziell für den „jüdischen“ Markt, kosten eine Spur mehr. Auch wenn in den vergangenen Jahrzehnten viele kleine Betriebe aufgekommen sind und qualitativ die Speerspitze ausmachen (Aufbruchstimmung!), prägen nach wie vor Großbetriebe als Massenerzeuger den Markt.
Israel ist dieser Tage wie auch im Vorfeld der Reise immer in den Schlagzeilen gewesen. Trotz einiger Sicherheitsbedenken, die bei einer solchen Destination mitschwingen, waren Nachfrage und Teilnahme groß. Dank bester Planung und der erfahrenen Reiseleitung des Spezialisten von der Reisewelt konnten wir auf bewährten und gesicherten Pfaden acht Tage lang das Heilige Land kennenlernen und viele Hintergründe erfahren. Und zwar mithilfe eines deutschen Reiseführers, der seit vielen Jahren als aktiver Jude in Israel lebt. Für den Besuch in Bethlehem wurden wir von einem palästinensischen Reiseführer begleitet, der uns manch andere Sichtweise vermittelte.
Das Land ist gespalten, zum Teil auf kleinem Raum zoniert mit Zugang entweder für Palästinenser oder Israelis. Dennoch: Das faszinierende Land präsentierte sich mit einnehmender Landschaft, viel Geschichte und ausgezeichneten Weinen. „Le Chaim!“ heißt es beim Zuprosten im Terroir der Spitzenweine des Heiligen Landes.
Kontakt: w.kaltzin@agrarverlag.at
Weinbau in Israel – kurz & bündig
Rebfläche: rund 8.000 ha, davon 3.000 ha Tafeltrauben
Weinbaugebiete: Galiläa (= Golan), Judäa, Samaria, Negev (Wüste), Samson
Kellereien: rund 300, größter Betrieb: Carmel
Weinproduktion: 40 – 45 Mio. Liter/jährlich
Böden: überwiegend Meeressedimentgesteine (Ausnahme: Vulkanböden bei den Golanhöhen)
Geschichte: Weinbau seit der Antike, auch unter muslimischer Herrschaft, Weinbau in der Neuzeit (Mitte 19. Jh.) durch Baron Rothschild aktiviert, großer Aufbruch aber erst in den 1990er Jahren
Koscherer Wein: Die Weinerzeugung erfolgt unter Aufsicht eines Rabbiners, viele Vorschriften zur „Reinheit“ sind einzuhalten. Israel gilt als größter Produzent und Exporteur von koscherem Wein. Größere Betriebe bieten meist auch koscheren Wein an, weil sie auf den Marktanteil von rund 30% in Israel nicht verzichten wollen.
Klima: überwiegend Mittelmeerklima mit großer Bandbreite, abhängig von Seehöhe und Nähe zum Meer; im Norden etwas kühler, im Süden Wüstenklima; Niederschläge vor allem im Winter
Bewässerung: Israel machte bereits früh Versuche/Erfahrungen mit Tröpfchen-Bewässerungen, auch unterirdischer Art. Das Wasser stammt großteils aus Entsalzungsanlagen (Meerwasser), aber auch aufbereitete Abwässer der Kommunen werden verwendet/beigemischt.
Steuer: hohe Steuern auf alkoholische Getränke; der Grund gehört dem Staat (Erdpachtsystem auf 50 Jahre)