10. WINZER-Leserreise

Viva España

Ein Artikel von DI Walter Kaltzin | 10.11.2022 - 12:14

Auch wenn es schon deutlich mehr Rebflächen gab, mit rund einer Million Hektar Reben liegt Spanien an erster Position im weltweiten Rebflächen-Ranking. Beim Ertrag matchen sich dagegen Italien und Frankreich um den Titel. Der Grund für die niedrigen Durchschnittserträge in Spanien liegt in den extremen klimatischen Bedingungen. Gerade in Zentralspanien herrschen oft (afrikanische) Hitze und große Trockenheit.

Da die Reise in der zweiten Augustwoche stattfinden sollte, wurde bewusst der weinbauliche Norden Spaniens als Ziel ausgewählt. Zum einen liegen die ausgewählten Gebiete auf der kastilischen Hochebene, was ihnen etwas nächtliche Abkühlung verschafft, zum anderen sorgt der kühle Atlantik ganz im Norden für ein ausgeglicheneres Klima bzw. auch deutlich mehr Regen. Ausgehend vom Flug nach Madrid querten wir die Weinbaugebiete Rueda, Toro, Ribera del Duero, Rioja und das Baskenland.

Auf den Spuren von Wein, Kultur und Kulinarik

Unser erstes Weingut war die Bodega Zorita, ein ganz feines Landgut aus dem 14. Jh., früher ein Kloster, heute als Hotel der Premiumklasse und Veranstaltungslocation bekannt. Ein typisches Beispiel für Önotourismus, viele Lebensmittel, u.a. Wein, werden biologisch selber produziert. Die Lage, unweit von Salamanca, mitten im fruchtbaren Duero-Tal am Fluss Tormes. Schon Christopher Columbus nächtigte hier. Eine kleine Auswahl an Weinen, Verdejo (aus Rueda), Tempranillo und Syrah, wurde perfekt präsentiert. Weit mehr beeindruckte aber die tolle historische Substanz.

Toro (6.000 ha Rebfläche)

Das Rotweingebiet ist nach dem typisch kastilischen Winzerstädtchen Toro (= Stier) benannt, das auf einem Felsplateau am Duerofluss liegt. Fast alles dreht sich um die autochthone Rebsorte Tinta de Toro, eine Tempranillo-Spielart. Der Weinbau geht hier wohl bis in die Römerzeit zurück, erlebte jedoch nach Rückschlägen erst Ende des 20. Jh. einen großen Aufschwung.

Stellvertretend für diese Entwicklung die Bodega Divina Propocion: Das junge Familienweingut aus dem Jahr 2010 bewirtschaftet rund 11 Hektar, plus Zukauf sollen es bis zu 500 Tonnen Trauben jährlich sein. „Viel Wein, um wenig Geld“, heißt es hier. Kräftige Rotweine sind schon um deutlich unter 10 Euro zu erstehen. Der Topwein „Platon“ mit ordentlich Umdrehungen (15Vol% – gut eingebunden), kostet 22 Euro. Dem Weingut ist ein Restaurant mit zwei großen Sälen angeschlossen, in dem es sich gut und günstig speisen lässt. Im Sommer sind die Türen täglich geöffnet – ein Anziehungspunkt. Die Weine entsprechen moderner Machart, die Topweine im französischen Holz. Im Weingarten überwiegt die Buschkultur, Bewässerung ist nicht erlaubt. Im Fall von 2022: leider.

Rueda (13.000 ha)

Auch das Weißwein-Gebiet Rueda hat in den letzten Jahren enorm zugelegt. Allein zwischen 2005 und 2015 soll die Rebfläche rund um Verdejo, Viura und jüngst Sauvignon Blanc von 6.000 auf über 13.000 Hektar gewachsen sein. Was für den Außenstehenden umso überraschender ist, als es hier nur Jahresniederschläge um 400mm gibt. Die Böden sind stark kieselhältig. Dort wo Beregnungsschläuche sichtbar waren, zeigten sich die Reben im üppigen Grün. Die Weißweine profitieren von den großen Tag-Nacht-Unterschieden (Seehöhe zwischen 700 und 800m). Angeblich existieren nur zwei Jahreszeiten: drei Quartale Winter und ein Quartal Sommer.

Zu Gesicht bekamen wir die Kellerei der Bodega Grupo Yllera, eine Gründung aus 1970. Traditionell gibt es Buschkultur, neue Anlagen aber in Hochkultur. Die Erträge sind hoch, um 10.000kg Trauben pro Hektar, was sich nur durch die Bewässerung erklären lässt (Duerofluss in der Nähe). Um die Frische zu steigern, wird maschinell in der Nacht gelesen. Zu verkosten gab es nicht nur Rueda-Weißweine mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern auch Rotweine aus anderen Weinbaugebieten. Unweit der von außen eher wenig attraktiven Produktionsstätte besichtigten wir den historischen Keller mit Labyrinth und beeindruckenden 16 Meter Tiefe (früher Champignon-Produktion).

Ribera del Duero (22.000 ha)

Das Gebiet beidseits des Flusses umfasst einen Streifen von 115 mal 35km auf 700 bis 1.000m Seehöhe. Auch hier blickt man auf eine Erfolgstory in den vergangenen Jahrzehnten zurück. Mit der DOC-Regelung 1982 kam der Boom. Das Weingut Vega Sicilia galt lange Zeit als einziges Aushängeschild, heute zeigen Weinpreise von bis zu 500 Euro die wirtschaftliche Strahlkraft. Alles dreht sich um die Tempranillo-Traube, hier Tinta del País genannt. Manchmal begleitet Cabernet Sauvignon, am Ende stehen auf jeden Fall kräftige Weine mit viel Struktur. Jahresniederschläge um 500mm.

Wir steuerten das Weingut Protos in Peñafiel an. Jährlich sollen rund 40.000 Besucher die Kellerei besuchen. Protos wurde 1927 gegründet und besteht aus zwei Bodegas, die ältere der beiden zieht sich durch das Innere des Berges (oben eine Burg) und die neuere große Bodega wurde von einem Architekten-Team entworfen. Rund 160ha eigene Rebflächen stehen im Besitz, aber 1.400ha von rund 250 Familien aus dem ganzen Gebiet werden verarbeitet. Der neue Fasskeller verfügt über 60.000 Fässer, hieß es. Die Reservas und Gran Reservas schimmern in Schwarz, feinkörniges Tannin begleitet die kräftigen Weine. Je teurer, desto höher der Anteil an französischer Eiche. 2022 soll kein Topjahrgang werden – zu heiß, zu trocken. Preisbereich: 10 bis 50 Euro.

Ebenso ein Großbetrieb die Bodega Portia mit sechs Kellereien in sechs DOC-Gebieten, u.a. Faustino in Rioja (der Ursprung). Portia wurde vom bekannten Architekten Norman Forster in Form eines dreizackigen Sternes gebaut, ein spektakuläres Architekturprojekt aus dem Jahr 2010. Jeder Arm hat eine eigene Funktion. Die Verarbeitung der 168ha Rebflächen im Ribera-Gebiet erfolgt über mehrere Stockwerke. Preislich verfügen die Weine über eine große Bandbreite, die Topweine (bis 50€) können trotz 15Vol% überzeugen. Von der traditionellen Kategorisierung in Reservas und Gran Reserveas hält man wenig, die Lagerdauer sage nichts über die Qualität aus.

Weinbau hat in Spanien Tradition. Die familiengeführte Bodega El Lagar de Isilla basiert auf einem historischen Weinkeller aus dem 15. Jh. in zwölf Metern Tiefe in Aranda de Duero. Heute wird am nahen Standort La Vid produziert, die Jahresproduktion 250.000 Flaschen. Die Finca aus dem Jahr 1890 zeigt sich im Kolonialstil, sie beherbergt auch ein Hotel, Restaurant und einen Gourmetladen.

Rioja (60.000 ha)

Die DOC Rioja liegt beiderseits des Flusses Ebro, die Landschaft wird hier hügeliger, zum Teil wird der Einfluss des Atlantiks bereits spürbar (Grenze zum Baskenland). Viel Tempranillo, etwas rotes Beiwerk (Garnacha, Graciano und Carignan) und lange Reife im Holzfass (Reserva, Gran Reserva) sind die Eckpfeiler des wohl bekanntesten bzw. imageträchtigsten Weingbaugebietes Spaniens. Aber auch Weiß aus Viura, Malvasia und Garnacha Blanca ist hier ein Thema.

Zwei Betriebe standen am Programm. Zuerst Bodegas Baigorri in der Subregion Rioja Alavesa. Die Fakten: Ein baskischer Besitzer, zehn Vertragswinzer, in Summe etwas über 100ha. Beim erst 20 Jahre alten Weingut handelt es sich auch um einen Architekturbau. Das Gebäude passt sich dem Hang an und gräbt sich tief in die Erde, um die Schwerkraft zu nutzen. So wird eine Verarbeitung über sechs Stockwerke möglich. Als Vertreter der modernen Linie liegt der Fokus auf dem Terroir, der Fassausbau wird etwas zurückgenommen. Die Kombination aus Frucht, Frische und Konzentration gefallen. Rioja-üblich ist das Preisniveau höher, vor Ort kann man auch gut speisen. Tolle Weine, tolle Aussicht ins Gebiet.

Marques de Riscal hieß der zweite sehr internationale Betrieb. Hinter dem historischen Weingut steckt heute eine Unternehmensgruppe (Aktiengesellschaft), die auch in anderen Weinbaugebieten aktiv ist. Rund 1.500 Hektar Rebflächen werden bewirtschaftet. Das eigene Hotel am Weingut gilt als architektonischer Leckerbissen. Die Weine mundeten sehr gut und zuverlässig, der Betrieb durch und durch touristisch geprägt. Als Traditionalist pflegt man die klassischen Rioja-Stile, es wurden aber auch wichtige Meilensteine in der Entwicklung des spanischen Weinmarkts auf Antrieb der Riscal-Familie gesetzt.

Baskenland (430 ha)

Die baskischen Weinberge sind die nördlichsten in ganz Spanien und reichen bis zur Atlantikküste am Golf von Biskaya. Unter dem Einfluss des Atlantiks herrscht ein mildes und feuchtes Klima. Die Weine, allesamt Weißweine, sind dementsprechend leichter und säurebetont. Traditionell werden die Weingärten in Pergolaform erzogen, manche haben Blick auf das Meer. Die Erträge sind enorm, bis 13.000kg/ha. Die rund 36 Kellereien setzen auf lokale Sorten. Auch im Sommer regnet es wöchentlich, 2022 war aber auch hier extrem trocken.

Zwei engagierte Betriebe bekamen wir zu Gesicht. Die Bodega Txomin Etxaniz, in Getaria (seit 1649), 50ha umfassend, und die Bodega Txakoli Basa Lore in Zarantz. Beide Betriebe überzeugten mit rassig-schlanken Weinen aus den autochthonen Sorten Ondarrabi Zuri und Ondarrabi Beltza. Die sehr frischen und duftigen Weine stehen ganz im Gegensatz zu den roten Bombern der anderen Weinbaugebiete. Landschaftlich gibt es auch einen extremen Kontrast: Viel Grün und bergig.

Touristische Highlights

  • Segovia: Keltischer Ursprung, Aufschwung zur Römerzeit, mit gut erhaltener Stadtmauer und Aquädukt aus Römerzeit, große Kathedrale, Königspalast
  • Salamanca: Tolle Altstadt mit Natursteinfassaden, Weltkulturerbe der Unesco
  • Ibero-Schinken-Produktion in Guijuelo: luftgetrockneter Schinken vom iberischen Schwein in drei Qualitätsstufen (unterschiedliche Fütterung/Haltung und Lagerdauer); nichts außer Salz lautet das Motto
  • Stadt Toro: nettes Städtchen für die eingefleischten Rotweinfans mit erhaltenem Stadtkern
  • Käse-Museum Chillon: Schafkäse-Produktion seit 1890, viele Variationen, alle mundeten
  • Burgos: angeblich die schönste Stadt am Jakobsweg, große Kathedrale, seit 1984 Unsesco-Kulturerbe
  • Haro: Die Weinhauptstadt von Rioja im Herzen der Rioja Alta – mittelalterlicher Stadtkern

Fazit

Nach zehn erfolgreichen WINZER-Leserreisen lässt sich einfach zusammenfassen: Keine Reise gleicht der anderen. Das Weinland Spanien ist vermeintlich bekannt und doch gab es viele neue Aspekte, die erst auf den zweiten Blick bzw. vor Ort auftauchten. „Eviva Espana – die Sonne scheint bei Tag und Nacht“, heißt es im bekannten Schlager. So viel Sonne gibt es nun auch wieder nicht, doch sie ist selten ein knappes Gut, wovon naturgemäß die rote Weinseite (Tempranillo aus alten Reben!) mehr profitiert. Mit dem Klimawandel scheinen neue, dunkle Zeiten aufzuziehen. Den mittlerweile knappen Winterniederschlägen folgt wenig Regen im Sommer, eine weinbauliche Herausforderung, wie sie der Osten Österreichs auch spürt. Grüne Vegetation findet sich im spanischen Sommer nur in der Nähe der Flüsse, dank Bewässerung. Insofern gilt der Duero als Lebensader. Viele Gebiete profitieren von der Lage auf der „kühleren“ Hochebene.

Landschaftlich weiß das Land zu verführen, malerische Dörfer, Städte mit wuchtigen Burgen und mächtigen Kathedralen sowie jede Menge Tradition. Bei den geringen Aufschlägen beim Wein in der Gastronomie schmeckt die lokale Küche dann noch besser. Apropos Kulinarik: Auffällig, dass viele, vor allem größere Weinbaubetriebe auf Weintourismus setzen.

Abschließend: Eine rundum gelungene Reise, organisiert von der Reisewelt, die dank mehrerer Reiseführer vor Ort viel Tiefe in der Information gab. Geruht wurde, wie üblich in ausgewählten tollen Hotels in teils historischen Stätten, die schon alleine eine Reise wert sind.

Nächste Reise

Israel – vom 16. bis 23. April 2023 (Detailprogramm in der Dezember-Ausgabe, Achtung: bereits viele Voranmeldungen!)