Eine Gruppe von mehr als 30 Der Winzer-Lesern machte sich am 21. August per Flugzeug nach Frankfurt auf, darunter viele bekannte Gesichter von der ersten Leser-Reise (Sizilien 2016). Die erste Station führte nach rund einer Stunde Busfahrt zu Deutschlands erster Ausbildungsstätte in Sachen Wein, zur Hochschule Geisenheim. Dort begrüßten uns die in Österreich bestens bekannte Prof. Monika Christmann und ihr Kollege Martin Schmidt, der durch den Keller und die Verarbeitungsanlagen führte. Zu sehen waren enge Platzverhältnisse und hektische Lese-Vorbereitungen. In ihren kurzen Begrüßungsworten brachte Christmann auch die Erklärung dazu: Botrytis sei im Anmarsch und die Kirschessigfliege im Anflug.
Von Geisenheim, das zum Riesling-dominierten Rheingau zählt, ging es mit der Rheinfähre nach Trier. Die ehemalige Kaiserstadt liegt inmitten der Weinbaugebiete des Moseltals (Mittelmosel) nahe der Grenze zu Luxemburg und dürfte Deutschlands vermutlich älteste Stadt sein. Mehrere Thermen geben Zeugnis von der Zeit der Römer.
Luxemburg – Banken & Wein
So wie viele Pendler aus dem Großraum Trier setzte sich die Reisegruppe am zweiten Tag Richtung Luxemburg in Bewegung. Die Stadt gilt als Finanzplatz erster Güte und bietet dementsprechend viele gut dotierte Arbeitsplätze. Nach wie vor wird enorm investiert und gebaut. Seitens der Kultur treffen romanische und germanische Einflüsse aufeinander. Babylonisches Sprachengewirr (Französisch, Luxemburgisch, Deutsch etc.) auf den Straßen verrät den kosmopolitischen Charakter des Großherzogtums.
Rund 1.300 ha Weinbau sind in Luxemburg hauptsächlich entlang der Mosel zu finden. Einen großen Teil davon verarbeitet die private Sektkellerei Bernard Massard aus dem Ort Greevenmacher. Mit einer Jahresproduktion von rund 4 Mio. Flaschen Sekt nach traditioneller Flaschengärung (Crémant) handelte es sich um einen Bigplayer mit einer großen Produktbandbreite von 8 bis 25 Euro. Bewusst brachte man den preislichen Vorteil beim Vergleich mit Champagner ins Spiel.
Nach einer Stadtführung stand der Besuch des Winzers Henri Ruppert (Domaine Ruppert) in der Stadt Schengen am Programm. Der architektonisch markante Bau im Hang ist für Besucher schon von weitem sichtbar. Die Böden, im Tal Sandböden, ansonsten Muschelkalk, eignen sich besonders für Burgundersorten wie Weiß-, Grau- und Spätburgunder oder Auxerrois. Ruppert setzt auf Dichtpflanzungen mit 6.000 Stöcken pro Hektar, im Besitz sind nur Hanglagen. Riesling und Crémants gehören zum Standardsortiment.
Mosel in drei Abschnitten
Der dritte Tag führte uns zum deutschen Abschnitt der Mosel. Während die Obermosel den Bereich der französischen Grenze bis Trier einnimmt, gilt die Mittelmosel mit ihren Mäandern als besonders sehenswert. Einer der touristischen Anziehungspunkte schlechthin ist Bernkastel-Kues. Pranger und Fachwerkhäuser im Ort zeugen noch vom Mittelalter. Geprägt hat die Stadt ein bedeutender Philosoph seiner Zeit, Kardinal Nikolaus von Kues.
Weinbaulich richtete sich das Interesse auf das international sehr bekannte Weingut Dr. Loosen. Bei einer Eigenfläche von für die Mosel enormen 50 ha wird der überwiegende Teil der Produktion in 80 Länder exportiert. Auf diesen Märkten setzt man auf das Alleinstellungsmerkmal restsüße, filigrane Rieslinge mit moderatem Alkoholgehalt. Dass es auch „trockener“ geht, davon gab eine umfangreiche Weinprobe Kenntnis.
Eine einstündige Schifffahrt zeigte die schönsten Seiten der Mittelmosel. Steile Weinberge, prächtige Burgen, Klöster und malerische Fachwerkstädtchen begleiteten die Reisenden flussabwärts. An Land ging es weiter zu einer noch sehr gut erhaltenen römischen Kelteranlage in Piesport aus dem 3./4. Jahrhundert n. Chr. Der Weg zurück zum Hotel führte entlang einer Panoramastraße und ließ nun den Blick von den hohen Weinbergen auf die Mosel zu. Die meisten Weingärten sind hier im Direktzug angelegt, eine Herausforderung für Mensch und Maschine. Standesgemäß wurde im Weinhotel übernachtet, wo eine Weinverkostung des Weinguts Erben von Beulwitz (Familie Weiss) eine an optischen Eindrücken intensive Tagestour abschloss.
Am vierten Tag sollte die sogenannte Terrassenmosel, der letzte und steilste Abschnitt dieser Lebensader, erkundet werden. Das kleine Familienweingut Markus Busch aus Pünderich machte den Beginn. Der Betrieb befindet sich derzeit in der Umstellungsphase zum ökologischen Anbau. Beim Pflanzenschutz liegt die Hoffnung auf dem Einsatz von Drohnen, nachdem der gemeinschaftliche Hubschraubereinsatz immer schwieriger zu organisieren ist. Die kleine Rebfläche (rund 25.000 Liter jährlich) macht es notwendig, auf Ferienwohnungen als zweites Standbein zu setzen.
In ganz anderen Dimensionen produziert das Weingut Kallfelz aus Zell. Hier kommen insgesamt rund 60 ha zur Verarbeitung, 20 ha davon laufen über Bewirtschaftungsverträge mit anderen Winzern, damit die Schiefer-Steillagen auch künftig ein Teil dieser beeindruckenden Kulturlandschaft bleiben.
Was mit dem Wort „Steillage“ verbunden ist, konnte man in Form einer Weingartenwanderung hautnah erleben. Wer von der Reisegruppe die Mühen auf sich nahm, wurde mit einem Weinberg-Picknick vom Weingut Schauf in Ediger-Eller belohnt. Der Blick von der Calmont-Hütte gewährte einen traumhaften Panoramablick auf die Moselschleife. Zuvor galt es aber, den Klettersteig durch die Weingärten des Calmont mit Steigungen bis zu 75% zu bewältigen. Keine Sache für schwache Nerven.
Kleiner Mittelrhein
Für die letzten beiden Nächte bezogen wir Quartier im schönen Koblenz. Römer, Kaiser, Könige und Ritter schrieben hier am Zusammenfluss von Rhein und Mosel Weltgeschichte. Die sehenswerte Stadt war Ausgangspunkt für weitere weinbauliche Erkundungstouren.
Diese führten zum Weingut Matthias Müller in Spay, einem renommierten Vertreter des Mittelrheingrabens. Als „erschreckend kleines“ Weinbaugebiet mit weniger als 500ha bezeichnet der Winzer selbst das weinbaulich zerstückelte Gebiet. Doch das hält ihn nicht davon ab, Weine mit Weltklasse von Steillagen mit 40 bis 75% Neigung zu erzeugen. Auf den unterschiedlichen Schieferböden gedeiht der Riesling perfekt (90% Anteil im Betrieb).
Eine kleine Führung entlang steiler Weingärten nahm Joachim Lorenz vom gleichnamigen Weingut in Boppard vor. Auch hier offenbarten sich die schwierigen Bewirtschaftungsverhältnisse. Eine Raupe mit Unterstockspritzung konnte im Einsatz besichtigt werden. Den Abschluss bildete eine Verkostung von Lorenz-Weinen mit rustikaler Verköstigung an der Mandelsteinhütte, die einen tollen Ausblick auf die Terrassen freigab.
Die letzte weinbauliche Station nahm das Weingut Hildegardishof in Bingen-Büdesheim ein. Bingen gilt als großer Weinumschlagplatz quasi im Vierländer-Weineck Rheinhessen, Rheingau, Mittelrhein und Nahe. Im Weingut werden rund 35 Hektar Weinberge bewirtschaftet, die Weine stammen sowohl aus dem Gebiet Rheinhessen als auch von der Nahe. Im Jahr 2014 erhielt der Betrieb den „Best of Wine Tourism Award“, rund 300 Gäste können im Inneren bewirtschaftet werden. Vom Gastraum aus begehbar ist ein einzigartiger Holzfasskeller. Die vielen geschnitzten Fassböden halten ein Stück Zeitgeschichte fest. Die Vermarktung erfolgt vor allem über die gastronomische Ebene. Rund 20 Sorten, also ungewöhnlich viele, bieten dem Konsumenten eine große Auswahl.
Eine enorme Burgen-Dichte zeigte die letzte Busfahrt entlang des Mittelrheines zurück nach Frankfurt. Dieser Flussabschnitt zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Seit jeher nahm der Fluss eine wichtige Verkehrsader zwischen Nord- und Süddeutschland ein. Der Weg ist von verwinkelten alten Städten gesäumt.
Fazit
Nach sechs intensiven Tagen bei bestem Wetter verabschiedete sich eine sichtlich zufriedene Reisegruppe von Land und Leuten. Die gute Mischung aus Wein(bau), Kultur und Kulinarik war stimmig und bestens vom Mitveranstalter Reisewelt organisiert.
Die Leserreise führte zu äußerst unterschiedlich strukturierten Weingütern mit Persönlichkeiten an der Spitze, die von Lebensgeschichten und Visionen geprägt sind. Nicht nur die schönen Facetten der einzigartigen und atemberaubenden Kulturlandschaft kamen zu Gesicht, sondern auch die Probleme der Winzerschaft. Die Herausforderungen ähneln dabei jenen in Österreich. In vielen Betrieben findet sich kein Übernehmer, die Zahl der kleinen Betriebe geht so seit Jahrzehnten zurück. Geringe Betriebsgrößen beschleunigen den Strukturwandel.
Eine besondere Herausforderung stellt die Mechanisierbarkeit der extrem steilen Weingärten dar. Zudem kommt hinzu, dass die Natur mit immer stärkeren Wetterextremen weinbauliche Grenzen setzt. Weinbau ist hier in diesen nördlichen Breiten nur aufgrund des Kleinklimas – steile, sonnenseitig exponierte Hänge – möglich. Die Hauptsorte Riesling kann auf eine lange Vegetationsphase hoffen. Typisch sind die für unsere Verhältnisse höheren Säurewerte, die mit zarter bis deutlicher Restsüße abgepuffert werden. „Trockene“ Rieslinge haben hier in der Regel zumindest 5 bis 8 g Restzucker.
Die Winzer setzen vor allem auf Dichtpflanzungen mit 5.000 bis 6.000 Reben pro Hektar. Es überwiegen Anlagen in der Falllinie, zum Teil mit Drahtrahmen-Erziehung, zum Teil auch Einzelstock-Erziehung, die eine kleine Renaissance erfährt. Querterrassierungen haben Seltenheitswert. Pflanzenschutz wird oft in Form von Lohnarbeit durchgeführt. Der Einsatz von Hubschraubern wird immer kritischer gesehen, auch weil die Ausbringung der Mittel mit wenig Wasser erfolgt. Die Folge: Die Wirksamkeit bei manchen Krankheiten wie Oidium leidet. Dennoch verstehen es die Winzer, außergewöhnlich spannende Weine, vor allem feingliedrige Rieslinge, zu keltern. Auch wenn der touristische Höhepunkt an Mosel und am Rhein schon ein bis zwei Jahrzehnte zurückliegt, Wein und Tourismus sind ganz eng verzahnt. Solche Lebensadern sind dabei aber nicht nur Segen – Hochwasser mit Überschwemmungen sind aus historischer Sicht keine Seltenheit.
DI W. Kaltzin
E-Mail: w.kaltzin@agrarverlag.at
Fakten: Weinbau an Mosel und Rhein
Mosel: knapp unter 9.000 ha Reben auf deutscher Seite; setzt sich aus 6 Bereichen, 19 Großlagen und 520 Einzellagen zusammen; die größten Flächen an der Mittelmosel; rund 550 km Länge, am Anfang ein weites Tal, am Ende schmal und steil – von Frankreich bis zur Stadt Koblenz, wo der Fluss in den Rhein fließt; früher nur weiße Sorten, heute neben Riesling auch weiße Burgundersorten (und Spätburgunder).
Mittelrhein: rund 450 ha (Riesling dominiert) Zum Vergleich: Deutschland hat eine Gesamtrebfläche von ca. 100.000 ha; die beiden größten Weinbaugebiete: Rheinhessen mit 26.000 ha und Pfalz mit 23.000 ha
Ausblick Der Winzer-Leser-Reisen 2018/2019
- Südafrika Februar 2018 (ausgebucht)
- Nordportugal August 2018
- Südafrika Februar 2019
- Bordeaux August 2019
Nähere Details folgen.