Eine bunt gemischte Gruppe, zusammengesetzt aus Winzern, Weinakademikern und Weinfreunden, trat in der zweiten November-Woche eine Reise nach Sizilien an. Unter der Leitung von Franz Schodritz von Optimundus Reisen, einem kundigen Reiseführer vor Ort, und dem Autor dieser Zeilen startete die Tour ausgehend vom Flughafen in Catania. Mit diversen weinbaulichen Vorurteilen im Gepäck galt es, eine bessere Sichtweise auf die größte Mittelmeerinsel zu gewinnen. Immerhin rund fünf Millionen Einwohner leben in diesem kontrastreichen Land, das im Landesinneren von der Landwirtschaft geprägt ist, während die Bevölkerung vor allem in den großen Städten an der Küste lebt.
Zur Geschichte
Im historischen Rückblick hatten der Handel und die Seefahrt in Sizilien schon seit jeher eine große Rolle gespielt. Das zog immer neue Eroberer an: Römer, Griechen, Phönizier, Araber und Normannen – später kämpften hier die Franzosen gegen die Spanier. Und alle hinterließen Spuren. Die Folge: Über die ganze Insel verstreut finden sich antike Tempel neben byzantinischer, arabischer und normannischer Baukunst.
Weinbau im Überblick
Die Geschichte des sizilianischen Weinbaus geht bis in die Antike zurück. Seine Entwicklung ist ein Spiegelbild der Eroberungen. Im Gegensatz zu anderen Teilen Italiens, wo die Römer oder die Etrusker erste Meilensteine des Weinbaus setzten, waren es hier Griechen, die die edle Kunst der Vinifikation ausübten. Möglicherweise gab es auch schon Weinbau vor der Ankunft der Griechen, die auf das Jahr 800 vor der Geburt Jesu Christi zu datieren ist.
Trockene Sommer, fruchtbares Land
Das mediterrane Klima der Insel bringt heiße und trockene Sommer wie milde und feuchte Winter. Heiße Winde aus dem Sahara-Gebiet treiben die Temperaturen im Sommer an der südlichen Küste bis über 40 Grad, während es im Norden etwas kühler ist. Der Ätna im Osten bietet wiederum ein ganz anderes Terroir. Durch die Höhe des Vulkanberges liegen dort weit feuchtere Bedingungen vor.
Überraschenderweise finden sich trotz der heiß-trockenen Sommer in Sizilien mehr Weißwein- als Rotweinflächen. Zum einen liegt das an der historischen Bedeutung des Marsala, ein Likörwein aus weißen Grundweinen, der im 18. Jahrhundert große Markterfolge im englischen Sprachraum erzielen konnte. Lange Zeit setzte man im Zuge dessen auf hohe Erträge, was das Image Siziliens nachhaltig prägte. Erst in den vergangenen beiden Jahrzehnten stieg das Qualitäts-Bewusstsein deutlich und auch internationale Sorten wie Chardonnay und Syrah kamen zum Anbau. Es folgte eine fruchtbare Dynamik, basierend auf Investitionen, zum Teil auf Basis von EU-Subventionen. Der Export begann zu florieren, das Selbstbewusstsein stieg und man richtete den Fokus mehr und mehr auf heimische Gewächse, wie etwa den Nero d’Avola und viele weitere lokale Sorten. Die Weingärten befinden sich oft in höheren Lagen, wodurch die Nächte eine gewisse Kühle bringen.
Mit knapp über 100.000ha Rebfläche gilt die Insel als größtes Weinbaugebiet Italiens. Zur Anbauregion werden auch die Liparischen Inseln gezählt, die wenige Kilometer vor der Nordküste liegen. Große Bedeutung hat auch der Tafeltraubenanbau unter Folien.
Reise-Spuren
Ausgangspunkt der Reise war der Flughafen der Hauptstadt Catania im Osten. Von dort führte eine längere Busfahrt quer durch Sizilien, zunächst durch Orangenplantagen, dann durch die relativ flache Kornkammer im Landesinneren nach Cefalù. Die Hafenstadt fasziniert durch die Lage zwischen Meer und steil aufragenden Felsen, einem Vorgebirge. Bekannt ist sie auch durch die Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert - ein Meisterwerk arabisch-normannischer Architektur – und als Badeort. Einst lebten hier über viele Jahrhunderte viele Religionsgruppen friedlich nebeneinander.
Am zweiten Tag wurde es erstmals weinbaulich, sieht man vom üppigen Weinkonsum beim ersten gemeinsamen Abendessen ab. Von derart niedrigen Preisaufschlägen auf Weinflaschen können Winzer und Konsumenten in Österreich nur träumen.
Erstes Weingut: Sallier de la Tour im Gebiet Monreale – quasi mitten in Westsizilien – gehört zu Tasca d’Almerita, einem Bigplayer im sizilianischen Wein-Business mit insgesamt rund 460ha Reben. Während bis in die 1980er Jahre noch einfache Verschnittweine im Vordergrund standen, denkt man heute qualitätsorientiert. Lokale Sorten wie Inzolia und Nero d’Avola werden mittlerweile durch Chardonnay, Syrah und Cabernet Sauvignon ergänzt. Die Erträge sind bei Weißwein mit rund 13.000 kg/ha enorm, bei Rotwein geht es deutlich unter 10.000 kg/ha. Auch wenn versichert wurde, dass nur in Ausnahmefällen bewässert wird, dürfte es ohne Wasserzuführung in den heißen und trockenen Sommermonaten nicht gehen. Kein Weingarten ohne Tropfbewässerungs-Schlauch! Die Weißweine zeigten sich dennoch mit überraschend kühler Note. Kein Wunder, wird doch das Traubenmaterial sofort auf 10°C heruntergekühlt. Die Preise liegen überwiegend unter 10 Euro, erst bei den besseren Rotweinen (etwa Syrah la Monaca) geht es auf 15 Euro rauf.
Danach ging es erneut zurück zur Nordküste nach Palermo, der größten Stadt Siziliens. Hinter den weitläufigen Vororten liegt ein historisches Zentrum mit zahlreichen Bauschätzen aus unglaublich vielen Epochen. Dazwischen eine pulsierende Stadt mit kräftigem Verkehrsgeschehen und gewöhnungsbedürftiger Fahrweise. Beeindruckend die wunderschöne Piazza Quatro Cambi, umgeben von Barockpalästen, die Kathedrale und die prächtige Capella de la Palatina, ein Meisterwerk byzantinischer Ikonographie.
Der dritte Tag steht ganz im Zeichen des Weines: In Sambuca führte uns Chiara Planeta höchstpersönlich durch den Keller vom Weingut Planeta. Rund 360ha verteilen sich über das ganze Land und auf sechs Kellereien. Erst 1985 startete das Weingut, der Durchbruch kam mit dem Chardonnay. Momentan halten sich einheimische und internationale Sorten im exportorientierten Weingut die Waage. Anfang August beginnt hier die Lese, immer in den frühen Morgenstunden (5 Uhr), um die Trauben dann sofort auf 7°C abzukühlen. Erst mit der Ertragsreduktion gelängen ausgezeichnete Weine, denn Sizilien hätte ein riesiges Ertragspotenzial, betonte Chiara Planeta.
Mit dem nächsten großen Weingut Florio (Gruppo Duca di Salaparuta) wurde das einstige Aushängeschild der Insel abgedeckt: der Marsala. Der Likörwein kam Ende des 18. Jahrhunderts auf, als man den Wein beim Schiffstransport mit Alkohol versetzte, um ihn haltbarer zu machen. Benannt ist er nach der Hafenstadt im Westen der Insel, wo der Tourismus weniger Bedeutung hat. Zum Teil wird der Marsala gespritet, höhere Qualitäten dagegen nicht. Es gibt trockene, halbsüße und süße Spielarten, allen gemeinsam ist eine deutliche Lagerzeit im Holzfass. Alkoholgehalt: 15 bis 20%Vol.
Der vierte Tag blieb der Kultur vorbehalten. Zuerst ein Ausflug auf den Pilgerberg Palermos, den Monte Pellegrino. Anziehungspunkt ist hier die Kirche der Santa Rosalia. Wie wir von unserem einheimischen Reiseführer erfahren, spielt die katholische Kirche im heutigen Sizilien – wie generell in Italien – eine immer kleinere Rolle.
Nahe des im 11. Jahrhundert gegründeten Städtchens Piazza Armerina im Landesinneren findet sich die noch großartig erhaltene römische Villa Romana del Casale, möglicherweise eine Kaiser-Residenz. Zahlreiche Bodenmosaiken sind noch im hervorragenden Zustand und geben eine Ahnung vom Leben vor zweitausend Jahren. Eine längere Busfahrt führte uns in den Osten, zur von den Griechen gegründeten Stadt Syrakus.
Die Altstadt von Syrakus (8. Jh.v.Chr.) zeigte sich schön renoviert. Besichtigt wurden die Überreste des Apollotempels und der schöne Rathausplatz mit zahlreichen Palästen und dem in Weiß strahlenden Dom aus Sandstein. Hauptattraktion für viele Touristen ist aber eine groß angelegte Ausgrabungsstätte außerhalb der Stadt. Dazu gehört das Teatro Greco, ein in einem Felshügel gehauenes Auditorium für rund 15.000 Personen.
Der Stadtbesichtigung folgte am fünften Tag ein Besuch beim Bio-Weingut COS, das Richtung Süden im Weinbaugebiet Vittoria liegt. COS steht für die drei Namen der studentischen Gründer. Frappato, Nero d’Avola, Grecanico und Insolia bilden den autochthonen Kern des biodynamisch arbeitenden Weinguts. Die südliche Lage bringt im Sommer wenig Regen mit sich, so zumindest der Eindruck, den die Weingärten rund um die Betriebsstätte boten. „Die Reben sollen sich in tiefere Bodenschichten zurückziehen“, so eine Erklärung vor Ort zur Herausforderung der Reben. COS steht für Gärung und Ausbau über sieben Monate in (spanischen) Amphoren, egal ob Weiß- oder Rotwein. Danach geht es in Holzfässer oder Betonzisternen. (Spannende) Rotweine überwiegen in der Produktion (rund 35 ha) – große Nachfrage!
Von Syrakus ging es am sechsten Tag Richtung Ätna, des ältesten Weinbaugebiets Siziliens. Der noch immer aktive Vulkan ist von weitem sichtbar, so er sich nicht wolkenverhangen gibt. Übernachtet wurde in Taormina, dem Tourismusmagneten der Region, bekannt als Sonnenfleck. Den Reiz macht die malerische Lage auf einem felsigen Plateau in der Bucht von Naxos aus, Anziehungspunkt des Badeortes sind ein griechisches Theater, zahlreiche Palazzi und Villen sowie der beeindruckende Ausblick auf den Ätna.
Der größte Vulkan Europas
Zwei Weingüter am Ätna sollten den siebenten Tag der Reise in Szene setzen. Benanti im Südosten des Vulkans überraschte mit einem Käsefondue und Weinverkostung gleich zu Beginn der Besichtigung. Einleitend eine Klarstellung des Winzers: Ätna sei anders als Sizilien - Essen, Dialekt und Wein würden vom Rest der Insel abweichen. Der Ätna sorge für zum Teil 10-fache Regenmengen wie in anderen Teilen Siziliens. Dazu kommen ausgeprägte vulkanische Böden, etwa Basalt im Unterboden. Allgegenwärtig ist der feine schwarze Staub, den der Ätna über die Gegend verteilt. Die Lese erfolgt hier weit später, je nach Höhenlage (bis 1.000m) bis Anfang November hinein.
Zum Weingut: Benanti stammt aus dem 18. Jahrhundert und verfügt über nicht veredelte 100-jährige Reben. Man setzt mit Erfolg auf historische Sorten und zählt zu den Besten des Landes. Der Ab-Hof-Verkauf ist wichtig, der Export geht Richtung USA und Japan.
Ein weiteres Ätna-Weingut mit Tradition (18. Jh.) bildete den weinbaulichen Abschluss: Barone Villagrande. Eingebettet zwischen Wald und historischen Weinberganlagen steht hier auf 700 Meter Seehöhe der Agrotourismus im Mittelpunkt. Neben den lokalen Sorten, die alle über eine gewisse Säure und Frische verfügen, fiel ein Passito (sonnengetrockneter Malvasier) von der Insel Liparia auf. Wunderschöne Aromatik, dazu ein stolzer Preis knapp unter der Dreistelligkeit.
Am letzten achten Tag Richtung Abflughafen in Catania verdunkelten sich die Wolken. Ein kurzer Stadtrundgang mit dem Besuch beim Fischmarkt zeigte noch einmal die sizilianische Lebensader auf. Die Stadt wurde im 17. Jahrhundert von Lavamassen überschüttet und wenig später zudem von einem Erdbeben getroffen. Doch das „moderne“ Catania kann sich sehen lassen und ist UNESCO-Weltkulturerbe.
Fazit
Eine Woche reicht nicht aus, die abwechslungsreiche Mittelmeerinsel Sizilien auch nur annährend zu entdecken. Doch die Leserreise vermittelte einen guten Überblick zu den bedeutendsten historischen Stätten, zur Landwirtschaft, zum Lebensgefühl der Sizilianer, und zum weit verbreiteten Weinbau. Die Reise war von der Optimundus-Reisewelt perfekt und abwechslungsreich organisiert, selbst der Sonnenschein kam zur richtigen Zeit.
Die Insel zeigte sich überraschend grün, fruchtbar und bergig. Eine Eigenständigkeit der Insel wurde deutlich: Einheimische fühlen sich als Sizilianer und nicht als Italiener. In vielen Städten merkte man eine gewisse Aufbruchsstimmung, die Blütezeit der Cosa Nostra dürfte überstanden sein. Eine herzliche Aufnahme bei den besuchten Weingütern, eine schmackhafte Kulinarik und viele eigenständige, überwiegend süffige Weine trugen zur ausgezeichneten Stimmung unter den Reiseteilnehmern bei. Der Weinbau gestaltet sich äußerst vielfältig: Viele autochthone Rebsorten und eine Vielzahl an unterschiedlichen Terroirs liegen vor.
Was bleibt: 3.000 Jahre Kulturgeschichte auf einem kleinen Fleck auf der europäischen Landkarte beeindruckten. „Dass ich Sizilien gesehen habe, ist mir ein unzerstörlicher Schatz auf mein ganzes Leben“, so fasste Goethe seinen Sizilien-Aufenthalt während seiner großen Italien-Reise zusammen. Dem ist nichts hinzuzufügen.
DI W. Kaltzin w.kaltzin@agrarverlag.at Hinweis: Im August 2017 peilt die Redaktion die Rhein-Mosel-Gegend an. Details zum Programm in der nächsten Ausgabe. Bei großer Nachfrage ist auch ein zweiter Termin im Mai möglich. Ende Jänner 2018 geht es in die Neue Welt nach Südafrika.