Effizient – nachhaltig – bienenfördernd

Obst natürlich anbauen

Ein Artikel von Dr. Lothar Wurm | 20.07.2022 - 09:46

Hohe Mengen an qualitativ hochwertigen, schalenfehlerfreien Früchten mit wenig Aufwand und Kosten, biologisch, mit Blüheinsaaten insekten- und bienenfördernd zu produzieren und zu konsumentenfreundlichen Preisen zu vermarkten, ist ähnlich realistisch wie die Nutzung einer veganen, CO2-neutralen, eierlegenden Bio-Wollmilchsau (Abb. 1). Nichts desto trotz sollen Ziele ja hochgesteckt werden, ist die Wirtschaftlichkeit im Hobbyanbau nicht so entscheidend und hat die Europäische Kommission mit ihrem Green Deal die Weichen hin zu einer Landwirtschaft mit höherem Bio-Anteil, mehr Biodiversität und weniger Produktionsmitteleinsatz, vor allem Pflanzenschutzmitteleinsatz, gestellt (Abb. 2).

Gerade alle in der Obst- und Weinbranche Tätigen haben ja immer wieder bewiesen, dass sie imstande sind, schwierige Problemstellungen rasch, kreativ und praxisnahe zu lösen. Beispielsweise konnte sich das Bio-Topazapfel-Projekt in Österreich nur deswegen gut entwickeln, weil Schwierigkeiten im Anbau wie die Kragenfäule-Empfindlichkeit der Sorte durch höhere Veredlung auf nicht anfällige Sorten (Abb. 3), die Gloeosporium-Lagerfäuleprobleme durch Heißwasserberieselung oder der Verlust der Schorfresistenz bzw. die Empfindlichkeit gegenüber Marssonina-Blattfallkrankheit durch Etablierung wirkungsvoller Bio-Pflanzenschutzstrategien entschärft wurden. Wurde allerdings der spätfrostempfindliche Topaz in Frostlagen ohne Frostschutzberegnungsmöglichkeit oder in feuchten, geschlossenen Lagen, die den Russflecken-/Fliegenschmutzkrankheitskomplex stark fördern, gepflanzt, war ein erfolgreicher Bio-Anbau kaum noch möglich.

Dass wesentliche Anbauvoraussetzungen sowohl im Hobbyanbau als auch im frischmarktorientierten, intensiven Erwerbsanbau beachtet werden, möchte ich, unter anderem, mit meinem neuen Buch „Obst natürlich anbauen: effizient – nachhaltig – bienenfördernd“ vermitteln. Obst natürlich und nachhaltig anzubauen, meint soweit als möglich auf Produktionsmitteleinsatz, vor allem Pflanzenschutzmittel, zu verzichten, also als Erwerbsbetrieb biologisch-extensiv zu arbeiten. Im Hobbyanbau ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowieso schon stark eingeschränkt worden. „Effizient“ spielt darauf an, dass es bei jeder Obstart wesentliche Pflegemaßnahmen und Schlüsselschaderreger gibt. Werden beispielsweise bei Marille Monilia-Spitzendürreinfektionen verhindert, bringt diese Obstkultur auf geeigneten Standorten auch bei extensiver Pflege ganz gute Erträge und Qualitäten (Abb. 4). Bienen- bzw. generell Insektenförderung soll durch Verzicht auf Insektizide, Pflanzenschutz auf der Grundlage von Biorichtlinien bzw. im Garten mit entsprechenden „Biomitteln“, die Blüten der Obstpflanzen als Nahrungsquelle und biodiversitätsfördernde Maßnahmen wie Blühstreifen in Obstanlagen oder generell Vielfalt an Blütenpflanzen und Strukturen in Gärten, erreicht werden. Dass Bienenschutz und -förderung für den Obstbau kein Randthema ist, zeigt die hohe mediale Präsenz dieser Thematik. Keine Insektizide anzuwenden und schalenfehlerfreies Obst ohne Ernteausfälle zu produzieren gleicht für Betriebe manchmal fast der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises. Andererseits wird durch die positive Berichterstattung von Initiativen wie dem „Gesellschaftsprojekt Biobienenapfel“, das sogar vom Europäischen Parlament unterstützt wird, deutlich, welches Potential für ein positives Image des Obstbaus darin schlummert. Letztlich soll in dem Buch auch vermittelt werden, in welchen Bereichen ein natürlicher, effizienter, bienenfördernder Obstbau realistisch ist, etwa ein standortangepasster Anbau seltener Obstarten für Verarbeitungszwecke, in welchen Bereichen, etwa in der Apfel- oder Beerenfrischmarktproduktion es schwierig wird und mit welchen Abstrichen bei Fruchtmengen und -qualitäten gerechnet werden muss (Abb. 5).

Voraussetzungen für den effizienten, nachhaltigen, bienenfördernden Anbau von Obst

Freude an der Pflanze, ihren Früchten und Fruchtprodukten und an der Obstvielfalt zu empfinden, ist, glaube ich, nicht nur im Hobby-, sondern auch im Erwerbsanbau wesentlich, da gerade bei Baumobst mit der Pflanzung einer Anlage eine Entscheidung für Jahrzehnte getroffen wird. Kennt nicht jeder von uns Juristen, Techniker, Betriebswirte, Lehrer oder andere branchenfremde Personen, die sich mit Feuereifer um ihre Wein- oder Obstgärten kümmern, nachdem sie erfahren haben, wie bereichernd es sein kann, sich mit mehrjährigen Pflanzen zu beschäftigen? Natürlich schränken die Vorgaben des Großhandels hinsichtlich Fruchtqualität und Erntemengen, besonders bei Frischobstproduktion, die Möglichkeit extensiv mit hoher Vielfalt an Obstarten, Sorten und Kronenformen wirtschaftlich zu arbeiten ein. Im Garten können hingegen ohne diese wirtschaftlichen Zwänge die eigenen Ideen und Wünsche voll entfaltet werden.

Natürlich stellt die Widerstandsfähigkeit der Obstart und -sorte eine grundlegende Voraussetzung für extensiven Bioanbau dar. Wenig bekannt ist allerdings, dass der Begriff der „Resistenz“ je nach Schaderreger sehr unterschiedlich interpretiert wird und in Baumschulkatalogen als resistent angepriesene Sorten nicht selten spezielle Anfälligkeiten aufweisen und daher nur bedingt geeignet sein können. In den letzten Jahrzehnten kam es bei einigen Obstprojekten zu Startschwierigkeiten, etwa bei Haselnüssen oder Bio-Birnen, da mit teilweise krankem Pflanzmaterial begonnen wurde. Eine noch so genaue Planung einer Obstanlage ist nutzlos, wenn kein gesundes Pflanzmaterial zur Verfügung steht.

Verschiedene Überlegungen haben dazu geführt, dass etwa die an saure Böden angepasste Aronia auf kalkreichen Böden in trockenen Gebieten oder Marillen in kühl-nassen Freilandlagen des Voralpengebietes gepflanzt wurden. Sind Obstpflanzen nicht an das Klima und die Lage des Standortes angepasst, sind Anbauprobleme vorprogrammiert.

Wird gesundes Pflanzmaterial, robuster Sorten auf geeignete Standorte gesetzt, können auch bei bodenfruchtbarkeitsfördernder, biologischer Bewirtschaftung je nach Obstart, Sorte und Jahr Schaderreger an Obstpflanzen deren vitale Entwicklung hemmen und Fruchtertrag und -qualität stark beeinträchtigen, während andere nur geringe Schäden verursachen. Bei Marille und Sauerkirsche ist so ein Schlüsselschaderreger die Monilia-Spitzendürre, bei Zwetschken die Pflaumensägewespe. Solche Schlüsselschaderreger, wenn möglich, auch durch direkte Bio-Pflanzenschutzmittelbehandlungen in Schach zu halten bringt viel, kostet wenig, ist also sehr effizient. Gegenspieler von tierischen Schaderregern können sich unter extensiven Biobedingungen in der Regel gut entwickeln und helfen Schäden gering zu halten. Eine völlige Selbstregulation ohne gezielte Eingriffe ist allerdings illusorisch.

Wachstums- und Ertragsregulation mit dem Ziel eines Gleichgewichtes zwischen Triebwachstum bzw. Triebzahl und Fruchtwachstum bzw. Fruchtzahl, also dem physiologischen Gleichgewicht, wird als wesentliche Voraussetzung für die Vitalität und Leistungsfähigkeit der Obstpflanze gerne unterschätzt. Die Kunst dabei ist zu erkennen, in welche Richtung die Pflanze gesteuert werden soll, ob etwa triebwachstumsfördernd oder -hemmend gepflegt werden soll, und dabei den Aufwand durch effiziente Maßnahmen möglichst gering zu halten. Zum Beispiel ist ein hoher Fruchtansatz die einfachste Triebwachstumsbremse und bewirkt umgekehrt eine Blütenausdünnung eine starke Förderung des Triebwachstums.

Im speziellen Teil des Buches wird die Eignung häufig kultivierter, mitteleuropäischer Baumobstarten, häufig kultivierter Beerenobstarten und von seltenen Obstarten bzw. Wildobst für pflanzenschutzextensiven Bioanbau beleuchtet. Da bei Baumobst zahlreiche Anbausysteme, von Hochstämmen auf starker Unterlage bis Fruchtwandsysteme auf schwachen Unterlagen, in Frage kommen, werden einleitend die Vor- und Nachteile dieser Systeme aufgezeigt. Anschließend werden bei jeder Obstart deren Nutzung und grundsätzliche Eignung für extensiven Bioanbau, die Sorten, Standortansprüche, Anbausysteme und Schlüsselschaderreger besprochen und bei einigen besondere Pflegehinweise gegeben. Beerenobst nimmt in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Extensiver Anbau ist meist schwierig durchführbar, sodass nur auf Holunder und Ribisel/Johannisbeere näher eingegangen wird. Eine kleine Auswahl von seltenen Obstarten und Wildobst wird, eingeteilt nach geringen Wärmeansprüchen auch für kühle Lagen und höheren Wärmeansprüchen für warme Anbaugebiete, ebenfalls vorgestellt.

Wurm_cover.jpg

Das neue Buch „Obst natürlich anbauen: effizient – nachhaltig – bienenfördernd“ zeigt Möglichkeiten, Obstpflanzen gesund zu erhalten, Bienen zu fördern und köstliche Früchte zu produzieren

Obstbau, im Erwerb wie im Hausgarten, wird von vielen als große Freude erlebt, aber auch als sehr herausfordernd. Das häufig gesetzte Ziel, ohne chemischen Pflanzenschutz und mit überschaubarem Arbeitsaufwand möglichst viele „schöne“ Früchte ernten zu können, lässt sich oft nicht so einfach umsetzen. Dieses Buch zeigt auf, wie mit geringem Aufwand – durch wesentliche vitalitätsfördernde Anbauvoraussetzungen und möglichst effiziente Maßnahmen gegen Schlüsselschaderreger – Obstpflanzen gesund erhalten, Bienen gefördert und köstliche, gehaltreiche Früchte produziert werden können.

Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München, 160 Seiten, ISBN 978-3-89937-277-9, 24,80€

Der Autor

Dr. Lothar Wurm
Höhere Bundeslehranstalt und Bundesamt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg
lothar.wurm@weinobst.at

Buch
Obst natürlich anbauen: effizient – nachhaltig - bienenfördernd