In Zukunft werden weit geringere SO2-Grenzen erlaubt sein, schätzt Hefe-Fachmann Prof. Großmann die politischen Entwicklungen ein
Zunächst skizzierte Großmann das aktuelle Umfeld der Branche: Immer mehr stehe bei politischen Entscheidungen der Verbraucherschutz im Vordergrund. Zum einen sei der Alkohol unter Beschuss, zum anderen ist damit zu rechnen, dass die SO2-Grenzen reduziert werden. Besonders den Bio-Bereich dürfte dies kräftig tangieren. Derzeit entstehen nämlich die EU-weiten Kellerrichtlinien für Bio-Winzer. Dabei wollen manche aus dem EU-Süden weitgehend auf den Schwefel verzichten. Italien etwa fordert, den Grenzwert im Vergleich zu den konventionellen Betrieben zu halbieren. Damit hätten gerade nördliche Länder wie Österreich und Deutschland ein Problem. "Etwa 30 bis 50 % der Weine sind aus heutiger Sicht dann nicht mehr verkaufsfähig. Eine mögliche Reduktion der Grenzwerte würde aber auch den Druck auf konventionelle Betriebe erhöhen", gibt Großmann zu bedenken.
SO2-Gehalte reduzieren
Im Schnitt würde die Vergärung mit Reinzuchthefen weniger zur SO2-Bindung beitragen – abgesehen von einzelnen Ausnahmen. Großmann schließt daraus: Je mehr die EU auf die SO2-Bremse drückt (OIV-Resolution: –10 mg/l), desto eher wird die Spontangärung schwieriger zu bewerkstelligen bzw. mit großem wirtschaftlichem Risiko verbunden sein. Das Tempo spielt dabei auch eine Rolle: Je langsamer die Gärung, desto eher entstehen SO2-bindende Stoffe – weil dann auch andere Mikroorganismen vermehrt dazu beitragen.
Lagentypizität versus Reinzuchthefe
Führt die Nutzung von Reinzuchthefen zur Vereinheitlichung der Weine, lautete eine der zentralen Fragen der Veranstaltung. Anerkannt scheint, dass Terroir durch den Boden und das Mikroklima geprägt ist. Bei den Hefen scheiden sich aber die Geister. Tatsache ist, dass Hefen natürlich auf Rebholz, Blatt und Traube vorkommen. Der Hauptteil an der Traube – dort jedoch ist die "echte" Weinhefe in der Minderzahl gegenüber anderen wilden Hefen. Bis sich Saccharomyces-Hefen durchsetzen (sie vertragen im Gegensatz zu Wildhefen Alkohol), sind unerwünschte/unkontrollierte Stoffwechselvorgänge nicht auszuschließen. Das erkläre das große Risiko bei der Spontangärung, so Großmann.
Hefen für mehr Terroir
Den Begriff "Terroir-Hefen" kritisiert Großmann deutlich, denn Versuche hätten gezeigt: Wer sich eine Starterkultur aus dem eigenen Weingarten züchtet und diese der späteren Ernte zugibt, sorgt nur bei steriler Verarbeitung für das Durchsetzen dieser Hefe. Die Praxis sieht anders aus: Sobald mehrere Weinberge vorliegen, werden von diesen alle Hefen über Kübel, Presse und Schlauch im Keller verteilt. Es gärt also nicht unbedingt die ursprünglich angesetzte Hefe, so die nüchterne Bilanz. "Noch dazu", betont Großmann, "schaut die Hefeflora nächstes Jahr wieder anders aus, was der Sicherheit bei Spontanvergärungen nicht förderlich ist."
Gärschwierigkeiten
Gärstockungen stehen heute an der Tagesordnung, weil vielfach der nötige Trub fehlt. Diesen benötigen aber die Hefen. Es fällt auf, dass Bio-Winzer hier weit weniger Probleme haben. Der Test auf die Verfügbarkeit von Nährstoffen sei schwierig, erklärt der Hefe-Fachmann, "denn der Gesamtstickstoff gibt wenig Auskunft über den hefeverfügbaren Stickstoff".Wer noch auf der Suche nach der richtigen Hefe ist, dem empfiehlt Großmann den Geisenheimer Hefefinder: www.hefefinder.de.
Der Autor
DI Walter Kaltzin, Redaktionsleiter Der Winzer; Tel.: 01/981 77-161,
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