Wenn es um Zukunftsthemen in der Önologie geht, ist Frau Dr. Monika Christmann von der Hochschule Geisenheim und Vizepräsidentin der OIV stets eine geschätzte und kompetente Referentin. Sie stellte zu Beginn ihres Vortrages die Strukturen und Abläufe in der OIV vor. Denn Resolutionen, die von der OIV verabschiedet werden, gehen direkt in das Weingesetz der EU über und sind daher für alle europäischen Winzer relevant. In den Expertengruppen der OIV werden die aktuellen Themen der Branche diskutiert und sogenannte „Ad-hoc-Gruppen“ bearbeiten konkret z. B. die Themen „Klimawandel“, „Nachhaltigkeit“, „CO2“ oder „Biotechnologie“.
Weniger Alkohol!
Das Thema „Alkoholreduzierung“ ist nicht länger auf die bekannten physikalischen Verfahren beschränkt. „Auch im Bereich der Mikrobiologie werden besonders Methoden zur Herstellung von Weinen mit geringem Alkoholgehalt diskutiert“, berichtete Monika Christmann. Dabei stünden Hefen, die bei der Gärung wenig Alkohol bilden, besonders im Fokus. Weiters beschäftige man sich intensiv mit Nicht-Saccharomyceten, der Verhinderung von Brettanomyces sowie mit dem Einsatz von gentechnisch veränderten Hefen, die allerdings sowohl von Verbrauchern als auch von Produzenten weiterhin sehr kritisch gesehen werden.
Beim diesjährigen OIV-Kongress im November in Argentinien sollen Filtrationsleitlinien zur Verminderung allergener Rückstände verabschiedet werden. Weiters sei davon auszugehen, dass als alternatives Schönungsmittel Solanin (gewonnen aus der Kartoffel) zugelassen wird, so Christmann. Auch Silberchlorid und PVI/PVP stünden kurz vor der Zulassung.
„Manch andere Resolutionen sind hingegen eingefroren worden, z.B. betreffend die Definition gentechnisch veränderter Reben“, hob Christmann hervor, „hier konnte vorläufig kein Konsens gefunden werden.“ Ebenfalls schwierig laufe es in der Ad-hoc-Gruppe „Nachhaltigkeit“, da es hier sehr unterschiedliche Meinungen der Mitglieder gäbe. Griechenland möchte z.B. explizit festhalten, dass gentechnisch veränderte Reben „nicht nachhaltig“ sind. Die Positionen seien verhärtet.
Die Unterkommission für Analysenmethoden beschäftigt sich laut Christmann mit dem relativ neuen Problemfeld „Nanopartikel“, die durch starke Zerkleinerung bei bestimmten Zentrifugen und Verfahren entstehen können und hochproblematisch sind, weil sie direkt in den menschlichen Organismus eindringen können.
Einflüsse auf Aromen
Im Anschluss präsentierte Dr. Pascal Herr vom DLR Rheinpfalz eine Vielzahl an Untersuchungsergebnissen zum Thema „Einflüsse weinbaulicher und önologischer Maßnahmen auf chemische und sensorische Charakteristiken ausgewählter weißer Rebsorten“.
Bei der Sorte Sauvignon Blanc wurde z. B. der Zusammenhang von Wüchsigkeit und sensorischer Ausprägung untersucht, wobei mehrere Varianten mit und ohne Rebgassenbegrünung bzw. mit und ohne Düngung durchgeführt und sensorisch beurteilt wurden. „Wenn viel Stickstoff zur Verfügung steht und die Wüchsigkeit stark ist, werden eher grüne Noten in Richtung Paprika dominieren, während bei etwas Wasserstress Aromen in Richtung Mango und Maracuja gefördert werden“, konnte Dr. Herr berichten. Auch die Maischestandzeit übe einen wesentlichen Einfluss auf die Aromatik aus. Durch Maischestandzeiten würden die Gehalte an Methoxypyrazinen steigen und damit wiederum die Aromen von grünem Gras und Paprika stärker. Eine wesentliche Erkenntnis aus Untersuchungen zum Reife-Optimum lautete: „Hoher Alkohol ist immer Verstärker oder sogar Auslöser eines bitteren Geschmacks.“
Herrs weitere Untersuchungen befassten sich mit der Enzym-Aktivität und der enzymatischen Freisetzung von Aromen. Laut diesen Untersuchungen steige die Enzym-Aktivität signifikant mit dem pH-Wert an, wirke sich dann aber nur teilweise auf eine messbar höhere Freisetzung von Aromen aus, wogegen eine höhere Gärtemperatur plus ein höherer pH-Wert die Freisetzung von Aromen signifikant fördern. Eine höhere Freisetzung der Aromen bei geringerem pH-Wert sei durch eine Erhöhung des hefeverwertbaren Stickstoffs zu fördern. Um sortentypische Weine zu produzieren, dürfe man dementsprechend nicht zu kalt vergären.
Mostoxidation und Glutathion
Pasacal Herr sprach weiterhin über die Rolle von Antioxidantien wie Ascorbinsäure und Glutathion (GSH). Endiole wie die Ascorbinsäure, Caftarsäure oder Catechine können bei Anwesenheit von Katalysatoren dehydriert werden, was in weiterer Folge zur Bildung von aktiviertem Sauerstoff führt, und dies wiederum zur Bildung von Acetaldehyd führt – und die somit als „Prooxidantien“ wirken. Der aktivierte Sauerstoff könne aber durch das Tripeptid Glutathion abgebunden und die Folgereaktion so verhindert werden.
In diesem Sinne wurde die reduktive Verarbeitungsweise von Weißmost der Makrooxidation gegenübergestellt. Im Endeffekt führe der reduktive Ausbau durch Schutz vor Sauerstoff mit Inertgas, Zugabe von SO2 und Ascorbinsäure und geringere Keltertemperaturen zum Erhalten von traubeneigenen Aromen, jedoch sinke dabei tendenziell die Lagerstabilität, da es später zur Oxidation der phenolischen Verbindungen im Wein kommt. Durch oxidativen Ausbau können phenolische Prooxidanten entfernt und dadurch kann das Lagerpotenzial der Weine gesteigert werden.
Pascal Herr: „Mit Mostoxidation können langlebigere Weine entstehen, die ihr Aromaprofil über längere Zeit behalten können.“ Ein ähnlicher Effekt könne auch durch eine Gerbstoffschönung erreicht werden.
Glutathion solle vor einer oxidativen Alterung der Weine schützen, doch sei mitunter eine negative sensorische Wirkung zu befürchten. Nach Herrs sensorischen Auswertungen fördert es mitunter ein belegend-pelziges Mundgefühl und beeinflusst das Säureempfinden negativ. Je nach Rebsorte seien hier sehr unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten und Forschungsbedarf sei hier weiterhin gegeben.
Die Verteidigung der Reinzuchthefe
HR DI Robert Steidl (HBLA und BA für Wein- und Obstbau, Klosterneuburg) verkündete, dass die Zeit der Reinzuchthefe noch nicht abgelaufen sei. Bei der Gärung stünden eindeutig „Sicherheit und Reintönigkeit“ im Vordergrund, mahnte Steidl. Für welche Hefe man sich entscheide, sei von mehreren Faktoren abhängig – auch sei relevant, wann man als Winzer den Wein brauche, ob eine starke Esterbildung erwünscht sei oder für welchen Konsumententyp man den Wein erzeuge. „Es gibt kein Hefe-Terroir“, enthüllte Robert Steidl und zitierte eine Studie aus der Schweiz. Auch beim Thema „Säureerhaltung“ könne man „die Kirche im Dorf lassen“. Nicht-Saccharomyceten werde aber inzwischen zugestanden, dass auch sie bis 12%Vol. Alkoholgehalt schaffen können.
Weiters betonte Steidl die Bedeutung der Hefeaktivierung: „Die Hefeaktivierung verringert Gärprobleme. Wichtig ist die richtige Aktivierungstemperatur von 38 bis 40°C. Bei Nicht-Saccharomyceten beträgt sie hingegen 30°C.“ Er übte Kritik an der Forschungsarbeit von Oliver Schmidt, die im Ergebnis keinen Unterschied zwischen Hefeaktivierung und Direkteinsaat der Hefe feststellen konnte (vgl. Der Winzer 01/2014). Denn Schmidt habe seine Versuche mit Aktivierung bei 35°C durchgeführt, was nicht die optimale Temperatur darstelle. Steidl empfahl den Winzern außerdem, nicht zu viel und zu heftig zu rühren, da die Hefe durchaus empfindlich sei.
Gärführung und Gärkontrolle seien weiterhin essenziell. „Ein Temperaturunterschied von mehr als 4°C innerhalb einer Stunde bedeutet für die Hefe massiven Stress“, so Steidl. Längere Zeit mit dem Abzug von der Hefe zu warten, reduziere den Gehalt an Acetaldehyd deutlich – und damit auch den SO2-Bedarf.
Auch Steidl bezweifelte den Einsatz von Glutathion als „Geheimwaffe“. „Wenn man an dieser Schraube dreht, dreht man vielleicht auch an anderen Schrauben ...“, warnte Steidl und schloss mit dem Statement: „Reinzuchthefe ist sinnvoll.“
Produktion von Biohefen
Den Prozess der Produktion von Reinzuchthefen erläuterte Rudolf Kreuz von der Fa. Lallemand und verglich dabei die traditionellen Hefen mit den relativ neuen Biohefen. „Die Produktionsflüsse müssen hier strikt getrennt sein“, erklärte Kreuz. Der große Unterschied seien die verwendeten Hilfsstoffe und Substrate, die für die Erzeugung der Biohefen streng reglementiert sind. Die Qualitätsunterschiede zwischen den traditionellen Reinzuchthefen und den Biohefen wären deutlich, so Kreuz. Die traditionellen Produkte seien aktiver und haltbarer, während bei den Biohefen die Einschränkungen bei den Stickstoff-Quellen derzeit keine Aktivitätsoptimierung zulassen würden.