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UNESCO-Auszeichnung

Wolkersdorfer Winzerbrauchtum wird immaterielles Kulturerbe

Ein Artikel von Redaktion | 17.07.2024 - 15:08
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Jährlich wird in Wolkersdorf bei der Fronleichnamsprozession die große Hauerfahne mitgetragen, nun zählt sie zum immateriellen Kulturerbe

Ähnliche Traditionen sind in anderen Gemeinden völlig abhandengekommen, während sich in Wolkersdorf bis heute sämtliche Rituale des Brauchtums halten konnten. So vermischten sich hier Traditionen der Handwerkszünfte mit jenen der Hauer und des Kirtagsbrauchtums – ein einzigartiges Konglomerat an Traditionen unterschiedlicher Ursprünge, was diesen „Wolkersdorfer Traditionskomplex“ so besonders macht. Die UNESCO-Kommission würdigte die Tradition und Entwicklung sowie kreative Weitergabe, die mit dem Austragen der Hauerfahne verbunden ist. Zudem die Kultur, die soziale Bedeutung und den Zusammenhalt, der mittlerweile weit über die Winzerfamilien und -betriebe hinausgeht. Und damit zusammenhängend den Stellenwert von Gemeinschaft, Generationen und Familien, sodass die Tradition der Hauerfahne, des Aufputzens, des Austragens und des gemeinsamen Feierns zu früheren Zeiten zwar verändert, aber weiterentwickelt und erhalten bleiben konnte.

Dieses im Vorjahr von der Stadtgemeinde in Abstimmung mit den beteiligten Partnern Weinbauverein, Stadtkapelle und Pfarre Wolkersdorf eingereichte Kulturerbe wurde unter der Rubrik „Gesellschaftliche Praktiken in Niederösterreich“ verzeichnet.

Stimmen vom Festakt

Im Rahmen des Festaktes konnte eine illustre Schar an Rednern begrüßt werden. Unter der Moderation vom derzeitigen Weinbauvereins-Obmann Christian Pleil erläuterte der Wolkersdorfer Historiker Wolfgang Galler das Besondere am „Austragen des Hauerfahns“ und auch des Hüterbaums in Wolkersdorf.

Dass dies nur unter dem Zutun vieler Familien und sogar Generationen bewerkstelligt werden konnte, erläuterte Josef Pleil. Er war es als Winzer, Mitglied und ab Mitte der 1980er Jahre als Obmann des Wolkersdorfer Weinbauvereines, der traditionsbewusst auf die Zeitläufte (z.B. des Strukturwandels des Weinbaus) reagierte.

Weinbaupräsident Johannes Schmuckenschlager knüpfte auch an die Worte von Wolfgang Galler an, indem er die historische Bedeutung des Weinbaus betonte. Das Lob gelte allen, die einerseits die Vergangenheit würdigen und andererseits aus Erfahrung die Zukunft zu gestalten.

Wie sieht es mit der Zukunft des Brauchtums aus? „Wenn ich mir die Familien der Hauerburschen und -mädchen sowie die generationelle Durchmischung ansehe, dann habe ich um den Fortbestand dieser Wolkersdorfer Tradition keine Sorge. Denn es ist ein großartiges, deutliches Zeichen gelebter Gemeinschaft und großen Zusammenhalts!“, unterstreicht der Bürgermeister Dominic Litzka seinen Dank. 

Die UNESCO zitiert aus den Bewerbungsunterlagen und begründet die Entscheidung wie folgt:

Jährlich wird in Wolkersdorf bei der Fronleichnamsprozession die große Hauerfahne mitgetragen. Dabei tragen acht Personen aus dem Kreis der Wolkersdorfer Winzer*innen („Hauerburschen“ und „Hauermädchen“) die Fahne, was als schwerste, aber auch ehrenvollste Aufgabe angesehen wird. Dieselben „Hauerburschen“/„Hauermädchen“ sind auch mit dem Aufstellen und Umschneiden des Hüterbaumes in Wolkersdorf betraut. Das Aufstellen ist mit zahlreichen Aktivitäten, Kulinarik und musikalischer Begleitung verbunden. Beide Praktiken spiegeln die enge Verbundenheit der Ortschaft mit dem Weinbau wider.

Erste schriftliche Belege über die Ausübung der Traditionen um die Hauerfahne in Wolkersdorf finden sich im späten 19. Jahrhundert, die aber auf ein schon langes Bestehen der Praxis hinweisen. Diese sollte einerseits den Standesstolz der örtlichen Weinbauern und Weinbäuerinnen verdeutlichen und durch die repräsentative Ausformung die gesellschaftliche Relevanz sichtbar machen. Damals wie heute ist das Tragen der Hauerfahne mit einer Vielzahl von Praktiken und Ritualen umgeben, die über die Jahre weitergegeben wurden, sich allerdings mit der Zeit zum Teil geändert haben. Dies betrifft einerseits die speziell dafür getragene Kleidung, wie Schärpen, Weinlaubkranz und Kalmuckjanker (wobei früher auch Frack und Zylinder getragen wurden), aber auch gemeinschaftliche Arbeiten im Vorfeld wie das Schmücken der Fahne mit Rosen, Weinlaub und Kornähren.

Waren die „Hauerbuschen“ ehemals die Söhne der lokalen Winzer*innen, sind es heute auch weitere Personen (aller Geschlechter und jeden Alters) aus und rund um Wolkersdorf. Seit den 1970er Jahren wird von denselben Personen auch das Aufstellen und Umschneiden eines Hüterbaumes am Wolkersdorfer Hauptplatz durchgeführt. Der Hüterbaum markiert den Beginn und das Ende der Weinlese und wird rund um Martini (11. November) umgeschnitten. Dabei sind die Ausübenden mit dem Fällen, Schmücken, Aufrichten und Schneiden eines Baumes betraut, sowie der Ausrichtung des Festes zur Verkostung des ersten Jungweines. Die Gemeinschaft der „Hauerburschen“ und „Hauermädchen“ wird vom Weinbauverein Wolkersdorf, der Stadtgemeinde, der Kapelle und Pfarrgemeinde finanziell wie organisatorisch unterstützt, da das „Ausführen des Hauerfahns“ und der Hüterbaum für die lokale Gemeinschaft als wichtige soziale und identitätsstiftende Praxis angesehen werden.

Die Praxis der Hauerfahne konnte sich aufgrund des Einsatzes der Ausübenden weiter in der Gegend erhalten, die ansonsten vielerorts abgekommen ist. Durch verschiedene Erhaltungsmaßnahmen wird weiterhin sichergestellt, dass die Praxis auch weiter bestehen bleibt. Dazu zählen unter anderem Medienauftritte, Ausstellungen, veröffentlichte wie geplante Studien und Publikationen. Bild- und Videomaterial wird über die Topothek der Stadtgemeinde gesammelt, laufend erweitert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.