Weinbau – Fachartikel

Herkunftsanalyse von Blaufränkisch und Blauem Portugieser

Ein Artikel von Ing. Johannes Friedberger | 14.12.2022 - 11:42
Herkunftsanalyse-von-BF-und-BP-1.jpg

Eine Abstammung von Blauem Portugieser und Blaufränkisch aus der Untersteiermark erscheint sehr unwahrscheinlich. Die meisten Einträge sind durch Importe erklärbar. Trummer dürfte sich bei den Nennungen von sehr alten Stöcken um Reichenburg und Gonobitz geirrt haben (Quelle: Prof. Hickmanns geographisch-statistischer Taschenatlas von Österreich-Ungarn: Steiermark, Kärnten, Krain und Küstenland, Nationalitäten- und Sprachen-Karte 1900)

Nach den zurzeit gültigen genetischen Daten entstammt die Rebsorte Blaufränkisch der Kreuzung von Sbulzina x Heunisch. Die Rebsorte Blauer Portugieser hingegen stammt aus der Kreuzung von Sbulzina x Silvaner. Sbulzina ist jeweils die Mutter der beiden Sorten. Zu ihrer historischen Herkunft herrschen unterschiedliche Auffassungen. Dieser Artikel stellt zwei weitere Varianten vor, die nach bestem Wissen und Gewissen aus den vorhandenen Erkenntnissen erstellt und interpretiert wurden.

Variante 1: Gemeinsame Herkunft aus der Thermenregion
Die Rebsote Sbulzina ist gemeinsamer Elternteil der beiden Rebsorten Blaufränkisch und Blauer Portugieser. Eine Herkunft aus einer gemeinsamen Gegend erscheint daher wahrscheinlich. Diese Einschätzung teilen auch Maul et al., sie siedeln die gemeinsame Heimat allerdings in der Untersteiermark an. Wenn die neuesten Erkenntnisse von Mann/Regner (2022) stimmen, ist die Abstammung beider Sorten aus der Untersteiermark/Slowenien jedoch unwahrscheinlich. Nach ihren Erkenntnissen ist die kroatische Sorte Blaue Zimmettraube (Modra Kosovina) nicht verwandt mit der Sbulzina, mit der sie jedoch häufig verwechselt wurde.

Sucht man eine Gegend, wo Blaufränkisch, Blauer Portugieser, Heunisch und Silvaner gleichzeitig dokumentiert waren, dann ist dies die Thermenregion, genauer der Raum Baden/Vöslau. Denn der Blaufränkisch fehlt vorerst in der Steiermark, er wird erst im 2. Werk von Trummer (1855) erwähnt, in dem er speziell auf die Sorten der Thermenregion eingeht. Er beschreibt zwar den Blaufränkisch als „Schwarze Fränkische“ ampelographisch, erwähnt jedoch kein Anbaugebiet für die (Unter-)Steiermark, sondern nur für die westungarische Gemeinde Stein am Anger. Er schreibt dazu: „Diese Traubensorte, welche bis jetzt nur in Österreich (Gumpoldskirchen, Soß, Vöslau und Gainfahrn) im Großen kultiviert wird, verdient allseitig, wo man rothen Wein zu erzeugen wünscht, gebaut zu werden …“.

Nach Interpretation und Auswertung der vorhandenen Dokumente ist die ursprüngliche Herkunft von Blaufränkisch und Blauer Portugieser aus der Thermenregion sehr wahrscheinlich. Konkret könnte ein zeitlicher Entstehungsrahmen in der Hochblüte des Weinbaus im Spätmittelalter angenommen werden, dies ist jedoch mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. Als örtlicher Entstehungsraum könnte die Umgebung von Pfaffstätten, Baden, Sooß bis Bad Vöslau angenommen werden. Es scheint ein Einfluss der Zisterzienser Mönche von Heiligenkreuz und ihren Weingärten im Pfaffstättner Raum zu bestehen. Diese sollen darauf geachtet haben, dass die „von alters her erprobten und gedeihlichen Sorten“ vorherrschend blieben. Gleichzeitig führten sie Anbauversuche mit neuen fremden Sorten durch.

Herkunftsanalyse-von-BF-und-BP-2.jpg

Historische Zeichnung Blauer Römer (links), Blatt von Sbulzina (Foto rechts). Die Elternsorte von Blaufränkisch und Blauem Portugieser mit dem Namen Sbulzina hieß wahrscheinlich ursprünglich Sura Lisicina. Dies ist heute ein serbisches Synonym von Blaufränkisch. Dieser Name könnte sich auf den römischen Konsul Lucius Licinius Sura beziehen. Daher dürfte die Rebsorte den deutschen Namen Blauer Römer erhalten haben. Metzger (1827) verbindet diese Sorte mit der Schlehenschwarzen aus der Wiener Gegend von Helbing (1777) und Heintl (1821). In den Blattzeichnungen von Babo und Metzger besitzen die Blätter tendenziell etwas stumpfere Blattzähne. Es ist nicht klar, ob es sich hierbei um den Weißholzigen oder Rotholzigen Blauen Römer handelt, da Babo diese später vertauscht. Optisch auffällig sind am Blatt vor allem die zusammengeschobenen kleinen, spitzen Zwischenblattzähne, die auch extra beschrieben wurden (Quellen: L. Babo u. J. Metzger. Die Wein- und Tafeltrauben der deutschen Weinberge und Gärten. Mannheim, 1836. Im Besitz der HBLA Klosterneuburg | Sbulzina-Foto: Ursula Brühl, Julius Kühn-Institut [JKI])

In der Thermenregion fehlte allerdings die Sorte ­Sbulzina, die wie die Blaue Zimmettraube noch nicht für die Thermenregion ausfindig gemacht werden konnte. Diese fehlende Elternsorte könnte bei Helbling (1777) und Heintl (1821) in der Gruppe der Schlehenschwarzen miterfasst sein, die im Pfaffstättner Raum genannt wird. Sbulzina dürfte original Sura Lisicina geheißen haben, was heute ein offizielles serbisches Synonym der Tochtersorte Blaufränkisch im Internationalen Sortenkatalog VIVC ist. Sura Lisicina dürfte sich auf den römischen Konsul Lucius Licinius Sura beziehen, der an der Grenze der römischen Provinz Pannonien kämpfte. Aus dieser Gegend stammte auch der spätere Kaiser Probus, der den Weinbau entlang der Donau und des Limes förderte. Daher wurde ihr anscheinend von Metzger bzw. Bronner (1827) der Name Blauer Römer beigelegt, mit dem Verweis auf Helblings und Heintls Schlehenschwarze. Die Rebsorte Römer wird schon zuvor bei Sprenger (1778) in der Bilfinger’schen Rebensammlung bei Stuttgart gemeinsam mit dem Gänsfüßler (Elternsorte von Sbulzina) bei den Rothwälschen erwähnt. Lambert Joseph von Babo aus dem Rheinland (1844 und 1851) beschreibt zudem den Blauen Römer in der ampelographischen Gruppe der Portugieser, weshalb eine Verwandtschaft naheliegend erscheint.

Heintl (1821) und Marcel de Serres (1814) bestätigen das ausgesprochene Rotweingebiet Baden bis Pfaffstätten mit seinen feurigen Rotweinen. Eine Beteiligung des Stiftes Klosterneuburg im Raum Baden erscheint auch möglich. Allgemein sind viele derartige Schenkungen an verschiedene Klöster im Badener Bezirk nachweisbar.

Zu dem verwirrenden Irrtum der Herkunft von Blauer Portugieser aus der Untersteiermark könnte es dadurch gekommen sein, dass Trummer (1841) zwei verschiedene Sorten als Blauen Portugieser bezeichnet hat. In einem Bericht von Franz Hirschhofer, einem Gutsbesitzer aus dem steirischen Wisell (1846/1847), wird neben dem Frühen Blauen Portugieser ein Blauer Portugieser mit dem Synonym Vranek angeführt, der spätreifend ist. Bei der spätreifenden Variante könnte es sich um die Rebsorte Sbulzina handeln.

Die korrekte Bezeichnung der Kreuzungspartner von Blaufränkisch wäre demnach: Blauer Römer / Schlehenschwarze / Sura Lisicina (Sbulzina) x Heunisch.

Sbulzina wäre in der Steiermark in der Gruppe der Krähentrauben/Vranek einzuordnen, zu der auch die Blaue Zimmettraube zählt. Sbulzina könnte in der Untersteiermark als Später Blauer Portugieser bezeichnet worden sein. Dieses Synonym führte und würde wohl auch heute noch zu Verwechslungen mit dem Frühen Blauen Portugieser führen.

Variante 2: Niederösterreich und Untersteiermark als Herkünfte
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass alle Silvaner-Kreuzungen nicht vor 1800 nach Deutschland exportiert wurden. Darunter fallen der Frührote Veltliner (der höchstwahrscheinlich im Raum Thermenregion entstanden ist), der Neuburger (der laut derzeitigen Erkenntnissen in der Wachau entstanden ist) und auch der Blaue Portugieser (der wahrscheinlich nicht vor 1800 nach Deutschland exportiert wurde). 

Herkunftsanalyse-von-BF-und-BP-3.jpg

Die eigentliche Herkunft und Kreuzung von Blauem Portugieser und Blaufränkisch aus der Thermenregion erscheint sehr wahrscheinlich. Der Pfaffstättner, Badener, Sooßer bis Bad Vöslauer Raum mit Weingärten der Zisterzienser von Heiligenkreuz und der Chorherren von Kloster­neuburg könnte deren Ursprung sein. Beide Stifte erhielten Schenkungen der Babenberger. Die Zisterzienser sollen darauf geachtet haben, dass die „von alters her erprobten und gedeihlichen Sorten“ vorherrschend blieben. Gleichzeitig führten sie Anbauversuche mit neuen fremden Sorten durch. Heintl und Marcel de Serres bestätigen das Rotweinbaugebiet von Baden/Pfaffstätten mit seinen feurigen Rotweinen (Quelle: UniWien, IfGR und Österreichische Weinmarketing)

Der Silvaner selbst war wohl schon zu Beginn der Neuzeit in Deutschland anwesend. Der Export von Silvaner und seinen Kindern in die Untersteiermark könnte ähnlich erfolgt sein. Mit der einzigen Ausnahme des Blauen Portugiesers – dieser war laut Trummer schon länger, also vielleicht schon etwas vor 1800 in der Untersteiermark vorhanden. Dies bedeutet aber auch, dass die Silvaner-Kinder wahrscheinlich noch eher jünger sind.

Nach einer Lehrmeinung sind Rebsorten oftmals in der Zeit von verlassenen, aufgegebenen Weingärten entstanden. Sie konnten sich natürlich kreuzen und neue Sorten entstanden. Dies wäre zur Zeit der Türkenkriege und des Dreißigjährigen Krieges in der Thermenregion wahrscheinlich. Es könnte auch sein, dass die Silvaner-Kreuzungen schon deutlich früher entstanden sind und lange Zeit sozusagen „dahinschlummerten“, bis sie ins weitere Umfeld verbreitet wurden.

Nach einer anderen Lehrmeinung fanden Kreuzungen vor allem in der Hochblüte des Weinbaus im Spätmittelalter statt, wo wild aufgegangene Sämlinge (etwa aus Tresterkompost) weitergezogen wurden. Sollte Trummers (1841) Beschreibung stimmen, dass der Blaue Portugieser schon länger in der Untersteiermark anwesend war, könnte die Kreuzung theoretisch dort erfolgt sein.

Nach den Ausführungen von Variante 1 kann es bei Trummer jedoch zu Verwechslungen des Blauen Portugiesers mit ähnlich aussehenden Sorten bzw. auch mit der Elternsorte Sbulzina selbst gekommen sein. Die Elternsorte Sbulzina wäre nach der Einschätzung des Autors in der Sortengruppe der Krähentrauben/Vranegg/(Zimmettrauben) zu suchen. Trummer beschreibt selbst, dass Vranek und die Zimmettraube öfter die Namen wechselten. Die damaligen Sortenbezeichnungen müssen nicht unbedingt den heutigen zugewiesenen Synonymen entsprechen.

Fazit
Diese beiden neuen Interpretationsvarianten der Herkunft der Rebsorten Blaufränkisch und Blauer Portugieser beruhen vor allem auf der Annahme, dass Trummer in seinen Darstellungen von sehr alten Blauen-Portugieser-Stöcken in der Untersteiermark einen Fehler begangen hat. Die Herkunft der beiden Sorten aus der Thermenregion wird dadurch für den Autor sehr wahrscheinlich.

Anmerkung der Redaktion:
Das Werk „Historia Franconia“ von Johannes Fried­berger umfasst mehr als 70 Seiten. Der Autor stellt erfreulicherweise das Originalmanuskript dem Weinbau­verband frei zur Verfügung. Sie finden es auf unserer Website: www.der-winzer.at (Suchfunktion rechts oben)

Der Autor

Ing. Johannes Friedberger, Fachlehrer HBLA und BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg sowie Winzer in Bisamberg
E-Mail: johannes.friedberger@weinobst.at