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Werden sich Natural Wines langfristig etablieren?

Weinstil quo vadis

Ein Artikel von CR DI Josef Glatt, MBA | 05.09.2017 - 15:46
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Werden sich Natural Wines langfristig etablieren?

Wenn man Märkte und Fachmedien studiert, könnte man meinen, dass der klassisch ausgebaute Wein sich zwischen zwei ­extremen Polen beweisen muss und etwas in den Hintergrund gedrängt wird. Diese Aussage ist zwar etwas übertrieben, aber tatsächlich wird an den beiden Enden des klassischen Weinstils mit unterschiedlicher Interessenlage kräftig gezogen.

Mainstream-Weine

An einem Ende des Weinstils steht das Bemühen, standardisierte, konfektionierte, dem Geschmacksempfinden des Mainstream-Weintrinkers entgegenkommende Weine zu erzeugen. Dabei werden alle möglichen, mittlerweile zugelassenen Weinbehandlungsmittel in Betracht gezogen. Weinbehandlungsmittel, die den Geschmackseindruck des Weines durchaus beeinflussen, wie Gerbstoffschönungen, Gummi-arabicum-Präparate, Mannoproteine und eine ganze Palette von unterschiedlichen Tanninen. Bis hin zu Behandlungsmitteln, die eine quasi Aromatisierung be­wirken, wie bestimmte Tannine und Eichenholzstücke (das geht bis zur Weinlagerung in gebrauchten Whisky­fässern). Eine Weinrichtung, die weniger von Winzern in Betracht gezogen wird, die mit ihren Weinen eine Herkunft widerspiegeln wollen, sondern von Weinerzeugern, die unter einer Markenbezeichnung große Mengen Wein mit gleichbleibender zugäng­licher Charakteristik vermarkten wollen. Dabei scheint in bestimmten Marktsegmenten die Tendenz zuzunehmen, auf der Grundlage von Wein aromatisierte Weine zu erzeugen, die über die zulässigen Behandlungsmöglichkeiten des Weingesetzes hinausgehen und die dann eben als „versetzte Weine“ in Verkehr gebracht werden. Das sind alles Getränke mit mindestens 50% Weinanteil, die EU-rechtlich geregelt sind und unter der Verkehrsbezeichnung „aromatisierter Wein“, „aromatisiertes weinhaltiges Getränk“ oder „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ in Verkehr gebracht werden. Neben Klassikern wie Wermut und Sangria gibt es eine Fülle von allen möglichen Getränken, die auf Basis von Wein, Schaumwein, aber auch Obstwein neue, aber dafür standardisierbare Geschmacksrichtungen anbieten. Das soll jetzt nicht unbedingt negativ dargestellt werden, denn immerhin bestehen diese Getränke zum großen Teil aus Wein und sind auch eine Eintrittspforte für neue Konsumenten. Aufgrund der gesellschaftlichen Zwänge wichtiger werden auch entalkoholisierte Weine, die dank stark verbesserter Entalkoholisierungs-Techniken auch immer besser werden.

Raw, Orange & Natural (Wines)

Am anderen Ende des Weinstils ­findet sich der Hype um sogenannte Raw Wines und Orange Wines. Das sind natur­belassene, möglichst unbehandelte Weine, die spontan, oft auch auf der Maische vergoren und ohne Filtration abgefüllt werden. In vielen Fällen werden die Trauben auf biologischer (meist biologisch-dynamischer) Basis erzeugt und international dann als Natural Wines bezeichnet. Dazu zählen auch spontan vergorene, im Zuge der ersten Gärung hergestellte schäumende Produkte, die als Pet Nats (Pétillant naturel) in Verkehr gebracht werden. Alles Weintypen, die in der Weinszene derzeit sehr gefragt sind und kontrovers diskutiert werden, bei denen aber auch nicht klar ist, ob sie sich langfristig eta­blieren werden. Jedenfalls wird mit der kommenden Weinbezeichnungsnovelle versucht, derartigen Weinen eine bezeichnungsrechtliche Basis zu schaffen.

Österreichs Klassiker

Dazwischen liegt unser klassischer Weinstil, mit dem in der österreichischen Ausprägung versucht wird, eine Sorten- und Herkunftstypizität der Weine abzubilden, die in der Regel auf Frische, Eleganz und Zugänglichkeit basieren.