Bei herrlichstem Spätsommerwetter traten Mitte Oktober mehr als 30 Teilnehmer die Reise in den Süden Italiens an. Die Region Apulien gilt als eines der ältesten Weinbaugebiete Italiens, schon vor etwa 3.000 Jahren sollen Phönizier und Griechen hier die ersten Rebstöcke gepflanzt haben. Die Region trägt den treffenden Beinamen „Weinkeller Italiens“, denn hier wird der meiste Wein des Landes produziert. Die Angaben der Weinbauflächen schwanken von 80.000 bis 100.00ha, die drei Anbaugebiete sind Castel del Monte (eines der renommiertesten DOCG-Gebiete), Murgia (Zentralapulien), und Salento (im Süden). Wasser ist rar, es gibt weder Fließgewässer noch Seen, der dringendste Bedarf wird aus dem Gebirgszug Apennin „importiert“.
Olivenbäume oder Rebstöcke
Die fruchtbaren, eisen- und mineralstoffreichen Böden (vorwiegend aus Kalkstein mit großen Anteilen von Lehm und Sandstein), heiße, trockene Sommer, nur kurze, heftige Regenfälle im Winter sowie meeresbedingt kühlere Nächte sorgen für oft körperreiche und alkoholstarke Weine. Ein eher kleines Gebiet um Bari dient der Tafeltraubenproduktion. Das spezifische Klima freut auch die mehr als 60 Mio. Olivenbäume, die mit bis zu 1.000 Jahren echte „Methusalems“ sind und mehr als 50% der italienischen Olivenölproduktion bringen. Leider sind bis dato viele Bäume vom hoch gefährlichen Bakterium Xylella fastidiosa (übertragen durch die Schaumzikade) befallen, was eine rigorose Rodung der Bäume und eine sich verändernde Landschaft bedeutet. Bei Weinreben löst dieser Erreger die Pierce’sche Krankheit aus, die ebenfalls zum Absterben des Stockes führen kann.
Rund 80% der Reben sind Rotweinsorten, u.a. die drei Premiumsorten Negroamaro, Primitivo (die alles andere als primitiv-flache Weine bringt) und Nero di Troia. Zudem: Bombino Nero, Malvasia Nera, Sangiovese, Susumaniello und Uva di Troia, aber auch Malbec und Cabernet Sauvignon. Eine rare Spezialität Apuliens ist der Susumaniello – auch unter dem Namen „Somarello Nero“ bekannt –, der vermutlich aus der Region Dalmatien stammt. Heute wird die Traube vor allem in der Provinz Brindisi angebaut.
Weiße Rebsorten sind u.a. Verdeca, Malvasia Bianca, Bombino Bianco, Fiano, Chardonnay und Sauvignon Blanc. Apuliens wichtigstes Weißweingebiet ist das Trulli-Tal „Valle d’Itria“ in den Provinzen Bari, Brindisi und Taranto mit den charakteristischen Trulli (Rundhäusern mit Steindächern, die an Zipfelmützen erinnern).
Neben IGT- und DOC-Weinen werden auch DOCG-Weine (dt. „kontrollierter und garantierter Ursprung“, so Castel del Monte Bombino Nero, Castel del Monte Nero di Troia Riserva, Castel del Monte Rosso Riserva und Primitivo di Manduria Dolce Naturale) produziert.
Boomender Weintourismus
Italienische Konsumenten lieben kühle, leichte Rosés und Spumantes – keine Weinkellerei kommt ohne diese beiden Produkte aus. Generell werden Weine eher nur zum Essen getrunken, selten „einfach so“. Ähnlich wie in Österreich geht der Trend zu leichten, jüngeren Weinen. Was Italiener gar nicht schätzen, sind alkoholfreie Weine (Motto: „Entweder Wein oder Wasser“) und Schraubverschlüsse, die bei ihnen immer noch für eher qualitativ minderwertige Weine stehen.
Viele Weinkellereien setzen nicht nur auf den Absatz via Vinotheken und Supermärkte, sondern betreiben einen regen Online- und „Ab Hof“-Verkauf mit Kellereiführung (Agrotourismus). Je nach Lust und Laune (und Geldbeutel) können Weininteressierte unterschiedlich lange Führungen wählen, mit und ohne Verköstigung, mit einer Handvoll Weinproben oder auch mehr. Für jene Weintrinker oder Gastronomen, die unter der Prämisse „günstig“ auf Einkaufstour sind, werden in manchen Kellereien (oft Genossenschaften) auch „Wein-Tankstellen“ samt Kanistern angeboten, mit unglaublich niedrigen Preisen. Und sicher nicht den schlechtesten Qualitäten …
Reise-Fazit
Apulien ist trotz seiner uralten Weinbautradition ein önologischer Spätzünder. Erst Anfang des neuen Jahrhunderts kam es zum Aufbruch in die Moderne. Und das mit einer sehr großen Dynamik. Erfreulich die Fokussierung auf autochthone Sorten und oftmals die Abkehr von der Massenproduktion. Wieder einmal brachte uns die Leserreise eine gute Auswahl von in Art und Größe unterschiedlichen Weingütern näher. Die Verkostung oft exzellenter Weine und die Besichtigungen der Tourismus-Highlights, von denen es eine Menge gibt, verbunden mit schmackhafter Kulinarik sorgten für gute Stimmung unter den WINZER-Reisenden. Unser „örtlicher“ Guide, die Schweizerin und „Halbitalienerin“ Claudia, sorgte mit viel Witz und Charme für interessante Einblicke und Informationen. Apulien hat sich von einer sehr attraktiven Seite gezeigt.
Besuchte Weingüter
Tenuta Torrevento: Das am Fuße des Castel del Monte, eines zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden, rund 900 Jahre alten Herrenhauses, gelegene Weingut Tenuta Torrevento bewirtschaftet eine Rebfläche von mehr als 300ha mit einem besonderen Augenmerk auf die prestigeträchtige Herkunftsbezeichnung „Castel del Monte“. Mit 200ha Zukaufstrauben produziert der Familienbetrieb in dritter Generation 8 Mio. Flaschen, von denen 80% in den Export gehen. Das Sortenspektrum umfasst Nero di Troia (80%), Bambino Nero und Bianca, Aglianico, Susumaniello, Primitivo und Muscati di Trano, ausgebaut zu 20% Weiß-, 50% Rot- und 30% Roséweinen. Nachhaltigkeit wird hier großgeschrieben.
Terre di San Vito: Das Weingut und „Slow-Food-Zentrum“ der Familie De Napoli in Polignano liegt in einer wunderschön gestalteten Anlage mit bis zu 1.000-jährigen Olivenbäumen, Granatapfelbäumen, Kakis, Artischocken u.a.m. Hier werden die Schätze des Betriebes im Rahmen eines sehr aktiv betriebenen Weintourismus und Direktverkaufs durch die Geschwister Giovanni und Elena angeboten: Weiß-, Rot- und Roséweine (Preise 20–25€ ab Hof) der Sorten Sauvignon Blanc, Malbec, Bambino Nero, Cabernet Sauvignon und Pinot Noir (insgesamt 20ha), zudem auch 3.000 Flaschen Sparkling-Weine. Wichtige Produkte sind u.a. auch Olivenöl und Erzeugnisse der Polignano-Karotte.
Weingut I Pàstini: Auch beim Weingut I Pàstini im Herzen des Itria-Tals handelt es sich um ein 1996 gegründetes Familienunternehmen. Die Familie Carparelli bewirtschaftet hier eine 18 ha große Weinbergfläche mit dem Ziel, alte einheimische Rebsorten zu erhalten und aufzuwerten: so die weißen Sorten (70%) Verdeca, Bianco d‘Alessano und Minutolo sowie die roten Sorten (30%) Susumaniello und Primitivo.
Heiße Tage, kühle Nächte sowie eine windausgesetzte Lage ermöglichen eine „ökologische“ Produktion, da der Betrieb selten mit Krankheiten oder Schädlingen zu kämpfen hat (Ausnahme im regenreichen Jahr 2023). In der Nacht wird mittels Tröpfchenberegnung zart bewässert, um die Wurzeln möglichst in die Tiefe zu bringen. Interessant die Verkostung eines 100%igen Minutolos – eine sehr kleinbeerige, schwer zu verarbeitende Sorte mit einer großen Differenz zwischen Geruch und Geschmack: süß in der Nase, sehr trocken am Gaumen.
Tenute Rubino: Als „home of Susumaniello” bzw. „Mutter des Susumaniello“ bezeichnet die Familie Rubino ihr 170ha großes Weingut, deren Kellerei am Stadtrand von Brindisi liegt. Das Anfang der 1980er Jahre gegründete Unternehmen wird mittlerweile in 2. Generation geführt. Auf den sandig-lehmigen, teils auch mehr kalkhaltigen oder salzigen Böden in Meeresnähe gedeihen zu 85% Susumaniello (30% werden zu Spumanto vergoren), Primitivo und Negoamaro, die restlichen 15% sind Verdeca, Malvasia und Vermentino. Großer Wert wird auf eine durchgängige Kühlung der Trauben gelegt, die entweder sehr früh geerntet oder – bei einem längeren Transportweg – gekühlt angeliefert werden. Bei Malvasia Bianca kommt sogar Trockeneis zum Einsatz. Die Reifung in den Tanks erfolgt unter Dach, um die Temperatur besser steuern zu können. Von den insgesamt 900.000 Flaschen werden 50% in heimischen Shops und in der Gastronomie abgesetzt, die restlichen 50% werden innerhalb Europas, nach Asien, Kanada und in die USA exportiert.
Cantina Vecchia Torre: Die Genossenschaftskellerei mit Sitz in Leverano auf der Salento-Halbinsel bewirtschaftet von 1.240 Mitgliedern gut 1.100ha, mit denen jährlich bis zu 3,5 Mio. Flaschen Wein erzeugt werden. Bei einem köstlichen Buffet konnten wir uns von der Qualität der Weine (Hauptsorte Negroamaro, auch als Rosé ausgebaut) überzeugen. Alle Weine werden in Stahltanks ausgebaut, Barrique käme zu teuer, erklärte man uns. Denn die Genossenschaft ist in Italien für ihr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (teils ab 3,70€/Flasche, im Schnitt 8€) bekannt. Es herrscht das Motto „Günstig, aber dafür viel verkaufen“. Was nicht nur Italiener zu schätzen wissen: Rund drei Viertel der Produktion werden im Ausland abgesetzt, der größte Kunde ist COOP in der Schweiz. Rund 15% der Flaschen haben Riserva-Qualität, ein Teil wird als Spumante veredelt.
Leone de Castris: In einem museumsartigen Empfangsraum voller Falstaff-Auszeichnungen, Fotos und Objekten aller Art wurden wir in der Kellerei willkommen geheißen. Der in 15. und 16. Generation geführte Familienbetrieb wurde im 17. Jh. in Salice Salentino gegründet. Das ganze Dorf hat sich rund um die Weinkellerei entwickelt und diese ist bis dato auch der wichtigste Arbeitgeber vor Ort geblieben. Bereits 1943 wurde der erste Roséwein in Italien abgefüllt (mangels besserer Alternativen in Bierflaschen) und exportiert, bis dahin war nur offener Wein üblich. Mittlerweile sind ihre Produkte in nunmehr 40 Ländern weltweit zu finden. Wir konnten u.a. einen Villa Santera Primitivo di Manduria DOC (15%vol, 2022, 15,90€) verkosten und waren begeistert. Auf rund 300ha Weinberge wachsen 70% rote und 30% weiße Sorten, die roten dienen vor allem der Rosé-Produktion. 51 verschiedene Weine werden in ca. 2 Mio. Flaschen jährlich abgefüllt, verkorkt mit der Rinde betriebseigener Korkeichen. Jährlich verlassen zudem 12.000 bis 15.000 Flaschen Spumante die Kellerei.
Conti Zecca: Ebenfalls um einen Familienbetrieb handelt es sich bei diesem Weingut in Leverano. Seit dem 16. Jh. wurde hier Landwirtschaft betrieben, seit Beginn des 20. Jh. wird der Schwerpunkt auf den Weinanbau gelegt (heute 250ha – 80% rot, 20% weiß). Etwa 10% des Negroamaro werden als Rosé ausgebaut, nur ein kleiner Teil wird für die Spumante-Produktion verwendet. 20ha mit besserem Mikroklima werden für handverlesene 200.000 Flaschen Cru-Weine ausgesucht, 60% davon werden in Italien abgesetzt. Auch bei der „restlichen“ Produktion von 2,3 Mio. Flaschen „mittlerer Qualität“ bleiben 60% im Inland (ca. 1 Mio. Fl. für Supermärkte), der Rest in der Schweiz, Deutschland und Asien. Preisspanne: von 4–5€/Flasche im Supermarkt bis zu 15€ für bessere Qualitäten bzw. 54€ für das „Flaggschiff“, den Nero, eine Cuvée aus Negroamaro und Cabernet Sauvignon.
Das mittlerweile in 3. und 4. Generation geleitete Weingut setzt bei den Cru-Weinen auf französische, amerikanische und slowenische Eichenfässer (tw. auch von der Austro-Firma Stockinger). Daneben laufen Experimente mit Terracotta-Amphoren, verschiedenen Tonerden, Akazienholz-Fässern, Betoneiern u.a.m.
Cantine Due Palme: Auch bei dieser Cantine, eine vor 35 Jahren in Salento gegründete landwirtschaftliche Kooperative, begann der Besuch in einem als Museum ausgestatteten Weinkeller. Aus den typischen Rebsorten des Gebiets wie Negroamaro, Malvasia Nera, Primitivo und Sussumaniello sowie Chardonnay werden hier Qualitätsweine von rund 1.000 Mitgliedern mit einer Anbaufläche von etwa 2.500ha erstklassigen Weinen mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis (6,50–41€/Flasche) produziert: Durchschnittlich 18 Mio. Flaschen unterschiedlicher Qualitätslinien werden jährlich weltweit verkauft, dazu kommt noch eine Verarbeitungs- bzw. Kommissionsproduktion. Schaumwein wird ausschließlich aus Negroamaro produziert.