13. LESERREISE NACH SÜDAMERIKA

Wein-Exotik in Brasilien und Uruguay

Ein Artikel von DI Walter Kaltzin | 14.10.2024 - 08:45

Die eingefleischte Fangemeinde der WINZER-Leserreisen traf sich am 12. März, um nach einem Zwischenstopp in Madrid und fast 11-stündigem Weiterflug in Rio de Janeiro zu landen. Die meisten sollten erstmalig den südamerikanischen Kontinent betreten, die Neugier war also mit im Gepäck.

Dynamisch und groß: BRASILIEN

Brasilien ist in vieler Hinsicht Gigantismus: Rund 220 Mio. Einwohner und beinahe so groß wie Europa, dementsprechend sind auch die Entfernungen im Land enorm. Die besuchten touristischen Highlights in Rio kurz erwähnt: Christus-Statue, Granitfelsen Zuckerhut mit fantastischer Aussicht, Sambastadium, Altstadt, Kathedrale, Übernachtung in unmittelbarer Nähe der Copacabana.

Nach diesem kurzen Trip ging es per Flug weiter zum Dreiländereck Brasilien, Argentinien und Paraguay, wo die beiden Flüsse Iguazú und Rio Paraná zusammenfließen. Wasser ist denn auch hier das bestimmende Thema. Etwa beim gigantisch-traumhaften Naturschauspiel der Iguazú-Wasserfälle. Genau genommen sind es dort 20 riesengroße und über 250 kleinere Wasserfälle. Ein Nationalpark umgibt sie. Die Wasserfälle gelten als eines der sieben Weltwunder der Natur und konnten hautnah besichtigt werden. Das niederschlagsreiche Gebiet mit einem enorm großen Einzugsgebiet wird am Staudamm Itaipu zur Stromgewinnung genutzt. Das Wasserkraftwerk mit beeindruckenden Dimensionen zählt zu den größten der Welt.

Weinwelt mit Italo-touch

Nach unvergesslichen Eindrücken ging es per Flug in die Hafenstadt Porto Alegre in den Süden (Bundesstaat Rio Grand o Sul), von dort weiter nördlich in das weinbauliche Zentrum Bento Goncalves. Wäre da nicht die portugiesische Sprache, man hätte aufgrund der vielen kulinarischen Bezüge zu Italien den Eindruck, in einer europäischen Stadt zu sein. Damit zur Frage: Wie kam der Wein nach Brasilien?

Mitte des 16. Jahrhunderts begann die Kolonialisierung durch Portugiesen, die erste Reben pflanzten. Die Jesuiten brachten etwa 100 Jahre später spanische Rebsorten. Einhergehend mit dem Zurückdrängen der Jesuiten-Missionen wurde der Weinbau jedoch aufgegeben. Die erste wirtschaftlich erfolgreiche Rekultivierung erfolgte um 1840 mit der Anpflanzung von Hybridreben (Isabella) an der Südküste des Gebiets Rio Grande. Relevante Weiterentwicklungen im Weinbau gab es dann nach 1875 durch italienische Einwanderer, die heimische Rebsorten mitbrachten. Wegen des eher nassen Klimas hat man mit vielen Rebsorten experimentiert. Erst nach dem Ersten Weltkrieg kamen Vinifera-Sorten zum Einsatz. Seit Mitte der 1980er Jahre gab es große technologische Verbesserungen, zudem wurden mehr internationale Rebsorten (weiß und rot) gepflanzt. Erste internationale Prämierungen folgten. Heute steht man bei rund 80.000 ha, wobei nur ein Bruchteil der Qualitäts-Weinproduktion dient, der Rest (Direktträger/Hybriden) wird für Traubensaft und die Tafelwein-Produktion verwendet.

Weinbau wird heute vor allem in den gemäßigteren, äquatorfernen Zonen betrieben, eine Zahl von ungefähr 1.100 Weingütern wurde uns genannt. Das größte Gebiet ist der Bundesstaat Rio Grande do Sul im Süden mit den Weinregionen Campanha und Serra Sudeste an der Grenze zu Uruguay (dort trockener: Rotweine!) und der Serra Gaúcha (Mittelgebirgsregion). Letztere ist die größte und die wichtigste Region mit fast 85% der Weinproduktion. Das Klima ist gemäßigt und feucht (wenig Bio!) mit milden Nächten. Die wichtigsten roten Rebsorten lauten Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc, Tannat und Pinot Noir. Neuerdings auch Tempranillo und Syrah. Bei den Weißen: Chardonnay, Moscatel, Riesling Italico (Welschriesling), Viognier etc. Von der dynamischen Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte konnten wir uns hier überzeugen:

Vinhos Larentis
Im Jahr 1876 verschlug es den ersten der Larentis in das Tal Vale dos Vinhedos. Heute führt der junge André Larentis das Familienweingut, das rund 15ha Weingärten besitzt und auf Weintourismus setzt. Das Gebiet ist bergig, verfügt über Basalterden mit Ton. Die Niederschläge mit deutlich über 1.000mm sind enorm, detto die Herausforderungen mit Peronospora. Merlot und Chardonnay (auch Schaumwein) spielen die Hauptrolle, das schmeckte man auch. Bemerkenswert und gut: Teroldego, wie auch die Spezialsorte Marselan (Kreuzung aus CS x Grenache).

Casa Valduga
Gleich zum ersten Betrieb fußt auch dieser auf italienischen Auswanderern. Die Kellerei wurde 1973 gebaut, eine Art Schloss kam 2004 dazu. Hier herrschen aber andere Größenverhältnisse: 150ha werden bewirtschaftet, auch Trauben im größeren Maßstab zugekauft. Man verfügt über den größten Champagner-Keller Brasiliens (enorme Besucherzahlen!), die Hauptsorten dementsprechend Chardonnay und Pinot Noir, aber auch Merlot etc. Eigentümer sind drei Brüder, die in der Group sechs verschiedene Marken pflegen, inkl. Aktivitäten in der Bier- und Teeproduktion. Auch in anderen Weinbaugebieten wird Weinbau betrieben. Feine Sekte waren zu verkosten, auch mit Hefelager von 60 Monaten.

Bodega Salton
Nördlich der Weinstadt Bento Gonzalves liegt Salton, mit der ältesten Weinkellerei aus 1910. Schon die Größe des Gebäudes lässt einen Großbetrieb vermuten, Bei der Besichtigung der Abfüllhalle (von oben) fühlt man sich an eine Industrieproduktion erinnert. Große Rebflächen (460ha) verteilen sich auf mehrere Weinbaugebiete, die zwischen dem 29. und 31. Breitengrad liegen. Hier am Standort sind es 96ha Weingärten. Rund 400 Familien liefern die Trauben ab, ein eigenes Labor sorgt für Qualitätssicherung. Export in rund 30 Länder, viele verschiedene Brands. Neben Wein, Sekt, Frizzante und Spirituosen werden auch Tees und auch Orangensaft produziert.

Miolo Wine Group
Miolo tritt heute als eine Wine Group am Markt auf, man bezeichnet sich mit einer Jahresproduktion von rund 10 Mio. Flaschen als größtes Familienweingut Brasiliens. Zu Beginn, 1897, gab es nur eine reine Traubenproduktion. Erst als 1990 die Traubenpreise in den Keller gefallen sind, stieg man auf Weinproduktion um. Heute mit leichtem Überhang bei Rotwein und einer nennenswerten Schaumweinproduktion. Etwa 1.000ha Rebflächen verteilen sich im ganzen Land, davon 450ha in Campanha Central, 200ha in Campanha Meridional und rund 100ha im Val de Vinhedos. 200ha sollen es auch im tropischen Bereich sein (Vale de San Francisco), wo zwei Ernten im Jahr möglich sind. Gesteuert wird das über die Wasserzufuhr. Wir verkosteten sehr attraktive Rotweine wie auch den Sparkling Moscadelle: kitschige, ausgeprägt exotische Frucht mit kräftiger Süße. Angeblich größter Exporteur Brasiliens.

Pizzato
Auch in diesem relativ kleinen Familienbetrieb wurde erst spät auf Weinproduktion umgestellt. Heute liegt man bei etwa 400.000 Flaschen im Jahr. Je nach Herkunft der Reben gibt es drei Linien: Pizzato, Fausto und Allumeé. General Manager Flavio Pizzato zeigte sich offen und sprach von rund 20 nötigen Spritzungen im Jahr 2023, auch 2024 sei in Sachen Peronospora und Oidium eine Herausforderung gewesen. Der Klimawandel sei auch hier ein Thema, wie auch die Personalknappheit. Wir kosteten sehr gute Weiß- wie Rotweine (hoher Stellenwert von Merlot), Sekt gehört auch hier zum Portfolio.

Aurora
Im Jahr 1931 von 16 Familien gegründet, sind es heute rund 1.100 Familien aus elf Ortschaften, die die Genossenschaft verkörpern. Dementsprechend zählt man zu den größten in Brasilien, fährt viele Weinlinien und verfügt über 220 unterschiedliche Etiketten. Der Exportanteil ist hoch, genauso wie die Traubensaftproduktion (60%, Sekt liegt bei 15%).

Chandon
Ausgehend vom Champagnerhaus Moët Chandon wurde 1973 eine Betriebstätte in Brasilien gegründet, weitere in Australien, China und Indien sollten folgen. Ziel des Gründers war, nicht exportieren zu müssen, sondern vor Ort für den Mart zu produzieren. Heute ist man unabhängig von Frankreich, aber noch verbunden. Die Produktion beläuft sich auf 3 Mio. Flaschen, ausschließlich Schaumweine. Die zweite Gärung erfolgt in (riesigen) Tanks (Charmant-Methode), wovon man überzeugt ist. Das Spektrum reicht von frischen und leichten Pricklern bis hin zu gehaltvolleren („Excellence“) und aromatischen („Passion“) Vertretern.

Casa Perini
Östlich von Bento Gonzalves im Vale Trentino betreibt die vierte Generation der Perinis Weinbau. 80ha, 9 Mio. l Jahresproduktion mit viel Zukauf lauten die Eckdaten des Betriebs. Bei der Vermarktung sind Weintourismus (mit Restaurant) bedeutend, ebenso Schaumweine und Traubensaft. Der prickelnde Bestseller präsentiert sich mit wenig Alkohol und deutlicher Süße. Auch das aromatische Aushängeschild, der Sparkling Moscatel, wäre für unsere Gewohnheiten etwas zu süß. Aufgrund der vielen Regenfälle setzt man des Öfteren einen Heißluftbläser im Weingarten ein (Thermal Pest Control). Apropos Wetter: Im Juni, dem kältesten Monat hier, soll es hin und wieder schneien.

URUGUAY

Umgeben von Brasilien, Argentinien und dem Atlantik verfügt das kleine Land (2x Österreich) über Weinbau im Ausmaß von rund 8.000ha. Kommerzieller Weinbau begann erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Einwanderer aus Frankreich und Italien die ersten Weinberge anlegten. Schon damals spielte die rote, gerbstoffreiche Rebsorte Tannat eine Rolle. Heute belegt sie fast ein Drittel der Rebfläche. Das Klima zeigt sich subtropisch, Wärme und Feuchtigkeit, aber auch eine gute Durchlüftung, sorgen für eine gute Reife des spätreifenden Tannats. Die Sommer sind warm/heiß, Regen fällt im Herbst bzw. Winter (rund 1.000mm Jahresniederschlag). Die Böden gelten als schwer (lehmig). In den 2000er-Jahren wurde intensiv in Qualität investiert, was sich am steigenden Exportanteil zeigt. Heute verfügt Uruguay über rund 200 Weingüter.

Der Großteil der Bevölkerung lebt in der Hauptstadt Montevideo, man meint, am Atlantik zu liegen. Doch handelt es sich um das Mündungsgebiet des großen Rio de la Plata. Im Land wird extensive Rinderzucht betrieben. Wegen der hohen Lebensqualität spricht man gerne von der Schweiz Südamerikas. Unsere Destinationen:

Bodega Antigua Stagnari
Das Familienweingut unweit von Montevideo im Hauptweingebiet Canelones blickt auf fast 100 Jahre zurück, heute steht man bei 30ha. Neben Tannat sind es vor allem französische Rotweinsorten sowie Sangiovese, aber auch Chardonnay und Sauvignon Blanc sind zu nennen. Für den Qualitätswein kommen nur eigene Trauben zum Zug, für die Tafelweinproduktion wird zugekauft. Das Weingut fährt mehrere Linien, die Spitze kann sich sehen lassen. Da ist viel Stoff da, manchmal etwas ungestüm (Potenzial). Obwohl der Jahrgang 2024 sehr regenreich war, richtet man sich mit Beregnung auf heißere, trockenere Zeit ein. Die Wetterextreme steigen auch hier, sagt man.

Bodegas Carrau
Die Bodega, ebenso unweit der Hauptstadt entfernt, zählt zu den ältesten Betrieben Uruguays. Hier waren einst katalonische Einwanderer am Werk. Rund 30ha und 300.000kg lauten die Eckdaten von heute. Das Kolonialhaus ist von einem Park umgeben. Während des Besuchs wurden gerade Lesekisten vom LKW auf das Förderband abgeladen. Beim Verkosten wurde deutlich: Wenn der Tannat hohe Reifegrade erreicht, erklimmt er ein ganz hohes Niveau. Hält aber dann auch 20 Jahre.

Bodega Pizzorno
Die Anfänge bei Pizzorno liegen mehr als 100 Jahre zurück, seit 2014 setzt man mit Hilfe eines Restaurants auf Weintourismus. Rund 21 ha Weinberg rund um das Weingut sind der perfekte Rahmen dafür. Mit 60 % vom Absatz ist aber der Export Hauptstandbein. In alten Betonstanks wird fermentiert, der Anteil an Rotwein liegt bei 80%. Bei den einfachen Tannat-Weinen kommt, um die Tannine zu entschärfen, auch die Mazeration Carbonique zum Einsatz.

Bodega Bouza
Ende der 90-iger-Jahre begann der Einstieg der Familie in den Weinbau, das Geld dazu hatte man sich in der Lebensmittelindustrie verdient. Nach Kauf eines alten Landguts wurde kräftig investiert, heute steht man bei rund 50ha. Wirtschaftliche Kompromisse sind nicht unbedingt nötig (optischer Sortierer, Oldtimermuseum im Besucherzentrum ...), so kann man sich etwa den parzellenweisen Ausbau beim Tannat leisten. Und schmecken! Beeindruckende Qualitäten. Preis bis an die 70 US-Dollar. Interessant der Versuch, mit weißen Steinen in der Rebreihe für mehr Photosynthese über die Reflexion zu sorgen.

Bodega Juanico, Fam. Deicas
Auf historischem Boden, 35 Kilometer nördlich von Montevideo, hatten die Jesuiten 1754 einen Standort aufgebaut, viel Macht gewonnen, sodass sie später enteignet wurden. Die Wein-Ära bricht hier im Jahre 1830 an, als Don Francisco Juanicó einen unterirdischen Keller auf alten Fundamenten der Guarani-Indianer errichten lässt. Eine einmalige Innovation zu damaliger Zeit. Im Jahr 1979 übernimmt die Familie Deicas das Weingut und bringt hochwertige Rebsorten rund um den Tannat. Stand heute: Rund 300ha Weinberge, davon in Juanico 150ha.

FAZIT

Die Neue Weinwelt der beiden Länder blickt eigentlich schon auf eine lange Zeit zurück, die mit den ausgewanderten Europäern begann. Die entscheidenden Entwicklungen hin zu Spitzenweinen haben sich aber erst in den vergangen 20 bis 25 Jahre abgespielt. Absatzsorgen kennt man auch hier. Der Weinkonsum geht in den großen Weinländern wie Argentinien und Chile massiv zurück, Rodungen stehen dort an der Tagesordnung. Brasilien, Südamerikas Nummer 3, hätte noch Potenzial im Inlandskonsum, weil der Durchschnittverbrauch sehr gering ist, die Besteuerung dagegen hoch. Die Serra Gaúcha mit dem Vale dos Vinhedos zeigte sich als führendes und dynamisches Qualitäts-Zentrum in Brasilien, die Weingüter betten sich in wunderschöne hügelige, zum Teil bergige Weinlandschaften.

Auffallend in beiden Ländern ist die hohe Exportquote, besonders in Uruguay. Dass wenige Weine den Weg nach Europa finden, liegt u.a. an den Einfuhrzöllen. Viele Betriebe setzen auf den Weintourismus und verfügen über Rebflächen in mehreren Weinbaugebieten.

Alle Weinbaugebiete zeigten sich im grünen Kleid, Spiegelbild der hohen Jahresniederschläge (in Brasilien >1.000mm), aber auch Garant für viel Frische in den Weinen. Der Klimawandel ist auch hier spürbar, die Sommer werden immer trockener. Die Weingärten liegen oft in ausgeprägt höheren Lagen. Die Sektproduktion hat einen hohen Stellenwert, vom Stil her liegt man meistens auf der süßlichen Seite. Auch Traubensaft, hochwertig positioniert, hat einen hohen Stellenwert, wohl Relikt aus der Zeit der Direktträger.

Die lange Anreise hat sich gelohnt. Dafür verantwortlich ein gutes Reiseprogramm – vor Ort dank mehrerer Reiseführer perfekt umgesetzt – an der Spitze Hannes Schönauer, eine Größe in Sachen Reiseorganisation und Hintergrundwissen. Für gute Unterhaltung sorgten auch die kulinarische Versorgung, die Qualität der ausgewählten Hotels sowie die familiäre Stimmung unter den Reisenden.

Ausblick:
14. Leserreise Apulien Mitte Oktober, 
15. Südafrika (Mitte Februar, anmelden!),
16. Griechenland/Nordmazedonien

www.der-winzer.at/weinreise.html