Ursprünglich vermuteten die Ampelographen, dass es sich bei der Sorte Neuburger um eine Kreuzung von Weißburgunder und Silvaner handelt, da die Trauben bzw. die Blüte an Silvaner erinnern. Mittlerweile bewiesen genetische Analysen die Elternsorten Roter Veltliner und Silvaner. Hinsichtlich der Geschichte der Rebsorte finden sich einige interessante Ansatzpunkte.
Die Wachau als Ausgangspunkt
Anlässlich des 9. Österreichischen Weinbaukongresses wurde 1935 in Ober-Arnsdorf in der Wachau ein Neuburger-Denkmal errichtet, das den Ursprung bzw. Ausgangspunkt der Sorte darstellen sollte. Seine Verbreitung dürfte vor allem durch die Reblaus-bedingten notwendigen Neuauspflanzungen erfolgt sein. Die Hauptanbaugebiete waren daraufhin der Raum Wien, die Thermenregion, das nördliche Burgenland (Leithaberg) und natürlich der Wachauer Raum um Arnsdorf und Spitz.
Die gute Trockenheitstoleranz des Neuburgers machte ihn als neue Sorte interessant. Vor allem Franz Kober in Klosterneuburg (Weinbaureferent und techn. Leiter für Reblausbekämpfungsfragen im k. k. Ackerbauministerium) sowie Leopold Schellenberger, Ferdinand Reckendorfer und Franz Wenisch (Direktoren der Weinbauschule Krems) hatten durch diverse Anbau- und Veredlungsversuche gute Erfolge erzielen können und bewarben deshalb vermehrt den Neuburger. Die Rebsorte zeigte vor allem zu Beginn der Veredlungsversuche ausgezeichnete Affinitäten zu verschiedenen Unterlagsreben und bildete weniger Kümmerer. Kober pflegte gute Kontakte zu den Kremser Direktoren und es fand zu dieser Zeit ein reger Edelreiser- und Amerikaner-Reben-Austausch statt. Das dürfte der Grund sein, weshalb bei Anbauversuchen des Neuburgers in Deutschland als Ursprungsort Klosterneuburg angegeben wurde.
Erfolgreiche Eigenschaften
Direktor Schellenberger, ein außergewöhnlich guter Sortenkenner, machte 1895 auf eine angeblich neue Traubensorte in Spitz a. d. Donau aufmerksam: den Neuburger. Bereits 1901 berichtet Kober über Veredlungsversuche von Amerikaner-Reben (Solonis) mit Neuburger. Er bezeichnet sie als einheimische Sorte, die auf Solonis üppig wächst und von vielen Bauern aus Niederösterreich als eine sehr reichtragende, der Vermehrung würdige Sorte empfohlen wird. Er ergänzt jedoch, dass Neuburger vorläufig mangels an Erfahrungen nur zu Versuchspflanzungen zu empfehlen wäre. Kober wirkte am Beginn seiner Karriere im nördlichen Neusiedlersee-Gebiet und in den südlichen Weinbaubezirken von NÖ. In diesem Raum wirkte auch der Badner Weinhauer Franz Schwabl, der vom Reichsweinbauverein, dessen Mitglied er war, sowie vom NÖ Landesausschuss als Demonstrator und Lehrer in die von der Reblaus befallenen Gebiete entsandt wurde. Er pflegte Kontakte zum Ackerbauministerium und sicherlich auch zu Franz Kober. Schwabl soll den Neuburger bereits 1897 nach Baden eingeführt haben. Wenisch erwähnt die neue Rebsorte Neuburger im Jahre 1905 als in NÖ oft genannte, die viele gute Eigenschaften besitzen und schon längere Zeit in der Wachau, speziell am rechten Donauufer in Mitter-Arnsdorf, bekannt sein sollte. 1922 erwähnt er den Neuburger noch einmal, mit dem Zusatz, dass sie in NÖ viel verbreitet und in der Wachau, diesmal in der Gegend von Spitz und Arnsdorf, schon seit langem bekannt sei.
Im Jahr 1912 wird von einem Demonstrationsversuch in den NÖ Landesrebanlagen in Kottingbrunn bei Baden berichtet. Dabei wurde ein Rigolversuch mit Dynamit der Firma Alfred Nobel durchgeführt. In Anwesenheit der Direktoren Wenisch und Reckendorfer sowie Inspektor Löschnig und vieler anderer Teilnehmer wurde nach dem wenig befriedigenden Versuchserfolg ein Wein aus dieser Landesrebanlage kredenzt, der wesentlich mehr Erfolg verzeichnete. Es handelte sich dabei um einen Neuburger, da der „dortige Rebsatz der Hauptsache nach aus Neuburger besteht“.
Die anfänglich oft große Begeisterung neuer Sorten wich manchmal später wieder, wenn diverse Nachteile erkennbar wurden. Bei Neuburger waren es in wuchsstärkeren Anlagen die verminderte Frostfestigkeit und die allgemein erhöhte Anfälligkeit für Traubenfäulnis.
Die neue Rebe von der Burg
Als besonderer Förderer der Rebsorte Neuburger muss Hofrat Josef Löschnig (NÖ Landes-Wein-, Obst- und Gartenbaudirektor) genannt werden, der später auch das Neuburger-Denkmal in Ober-Arnsdorf initiierte. Löschnig wirkte um 1900 herum an der landwirtschaftlichen Lehranstalt in Krems. Die verbreitetste Namens- und Herkunftsgeschichte des Neuburgers in den derzeitigen Publikationen ist jene von Wilhelm Bauer aus dem Jahr 1963, die eine gekürzte und etwas abgeänderte Variante des ursprünglichen Textes von Josef Löschnig ist. Im Original von Löschnig 1931 in der Zeitschrift „Das Weinland“ ist folgender Text zu finden:
„In den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts (Anm.: um das Jahr 1850) zog Christoph Ferstl, Weinhauer in Oberarnsdorf in der Wachau, in Gegenwart des Franz Marchendl ein kleines Bündel (rund 100 Stück) Reben aus der Donau. Es waren Sturzreben, d.h. ausgeputzte, gefersente Reben (ein Ausdruck in der Wachau für knappes, etwas schräges Schneiden der Schnittreben unter dem untersten Knoten), welche bereits eine Kallusbildung zeigten. Christoph Ferstl setzte diese Reben auf dem Ecklgrunde neben dem Schmidthause, in der nächsten Nähe des Kellers vom Stifte Salzburg, heute im Besitz der Gemeinde Oberarnsdorf, aus. Sie trugen im Jahre 1872 (vielleicht schon vermehrt) zum ersten Mal, so dass sie selbständig gepresst werden konnten. Sowohl das Wachstum der Reben als auch der gewonnene Wein verursachten in der Gemeinde großes Aufsehen. Diese Aufregung wird verständlich, wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit in Oberarnsdorf ausschließlich Heunisch (Grobe) angepflanzt war und der produzierte Wein größtenteils zur Essigerzeugung verwendet wurde. Der Arnsdorfer Essig war donauaufwärts bis nach Deutschland bekannt. … Der unaufhaltsame Rückgang der Essigerzeugung in Oberarnsdorf war der Verbreitung der aus der Donau gefischten ,neuen Rebe‘, wie der Neuburger anfangs genannt wurde, sehr günstig. … Der gute Ruf der ,neuen Rebe‘ verbreitete sich sehr bald über die Gemeindegrenzen hinaus und besonders die Weinhauer von Spitz a. d. Donau, am anderen Ufer der Donau gegenüber Oberarnsdorf, interessierten sich für diese Reben. Im Besonderen trug Wirtschaftsbesitzer Josef Langwieser zu ihrer Verbreitung bei; er holte die Reben aus Oberarnsdorf und pflanzte sie bei der Ruine Hinterhaus in Spitz, welche im Volksmunde den Namen ,Burg‘ führt, aus. Benötigten die Weinhauer der Umgebung Reben, so verlangten sie ob ihres guten Rufes die ,neue Rebe‘, die ,neue Rebe von der Burg‘ oder auch die ,Burgler‘, aus welchen Bezeichnungen dann der heute verbreitete Name der Rebe ,Neuburger‘ entstand. … Die wirkliche Heimat des Neuburgers wird, da es sich um eine aus der Donau gefischte Sorte handelt, wohl kaum festgestellt werden können. Direktor Schellenberger, Hermann Goethe (Anm.: Geschäftsführer der Ampelographischen Kommission), Reckendorfer und andere haben donauauf- und abwärts nach seiner Heimat geforscht, doch vergebens. Und doch muss dieser Findling irgendwo, wenn auch im Kleinen, angepflanzt gewesen sein.“
Unklare Abstammung
Die Fachleute vermuteten aufgrund der äußeren Merkmale und anderer zahlreicher Eigenschaften, dass der Neuburger vom Grünen Silvaner abstammt. Die Blattrippenbildung, die Stempelform der Rebblüte, die Ähnlichkeit der Trauben und Beeren sprachen für diese Annahme. Eine beachtliche Leistung der damaligen Ampelographen – fast hundert Jahre später bestätigte die Genanalyse diese Abstammung. Bezüglich der Namens- und Sortenherkunft des Silvaners wurde bereits vom Autor selbst (DER WINZER 10/2021) aufgeklärt.
Da Ober-Arnsdorf damals der westlichste Weinbauort Niederösterreichs war und in Bayern an der Donau in den vergangenen Jahrhunderten kein Weinbau betrieben wurde, schlussfolgerten die Fachleute, dass das aufgefischte Bündel Neuburger-Reben auf einem Schlepper aus dem Osten (Ungarn, Siebenbürgen usw.) mit einer Weinfracht donauaufwärts kam und beim Ausladen des Weines in einem donauaufwärts gelegenen Ort in die Donau fiel, abwärts trieb und in Ober-Arnsdorf an Land gezogen wurde. Weinfässer wurden damals mit Rebbündeln unterlegt, damit sie nicht ins Rollen kamen. Aufgrund dieser Annahme wurde das Ampelographische Institut in Budapest kontaktiert, um sich mit der Bestimmung und Heimat des Neuburgers zu befassen. Das Institut kam jedoch zu dem Ergebnis, dass diese Sorte in Ungarn nicht bekannt ist. Nach den damaligen Untersuchungsergebnissen wurde daher angenommen, dass es sich beim Neuburger um eine österreichische, zumindest eine von Österreich aus verbreitete Traubensorte handelt.
Die moderne Abstammungsanalyse ergab als Elternsorten vom Neuburger die Rebsorten Roter Veltliner und Silvaner. Beide Sorten waren in der Wachau nachweislich vorhanden, wenn auch in geringerem Ausmaß und vor allem Silvaner noch nicht lange. Für eine natürlich Kreuzung und die darauffolgende Verbreitung bräuchte es einen etwas längeren Zeitraum. Der Spitzer Hauer Johann Karlsperger schreibt in seinem „Gedenkbüchlein“, dass bereits um 1800 „bessere Sorten“ gezogen wurden und erwähnt ausdrücklich den Zierfandler, welcher der Grüne Silvaner oder der Rote Zierfandler sein konnte. In einer statistische Weinbaukarte NÖ wurde 1866 festgehalten: „... bei Spitz bildet der Silvaner einen wesentlichen Teil des Rebsatzes“. Eine spontane Kreuzung in der Wachau wäre daher durchaus möglich, wenn auch zeitlich äußerst knapp.
Die Reben aus der Donau
Interessant ist ein älterer Eintrag Löschnigs aus dem Jahr 1928 zum Neuburger: „Im allgemeinen Interesse wegen sei die Geschichte des Neuburgers angeführt: Direktor Schellenberger machte 1895 auf eine angeblich neue Traubensorte in Spitz a. d. Donau aufmerksam. Der Besitzer dieser Traubensorte erzählte, dass er die Reben vom Hundsrieser in Mitter-Arnsdorf hat, der sie seit einigen Jahren besitzt. Diese Reben sollen aus einem Rebbündel stammen, welches er aus der Donau aufgefischt hat. Der Name Neuburger soll von einem Donauschlepper, der die Bezeichnung ,Korneuburg‘ führte, herrühren. Nun wurde von der Kremser Weinbauschule (Hofrat Reckendorfer) nach der Heimat des Neuburgers geforscht. Eine Zufallsrebe, entstanden durch eine Knospenvariation, kann Neuburger nicht sein, weil dem Rebbündel nicht nur eine Rebe, sondern ein Drittel der Reben der Sorte Neuburger angehörte. Die Nachforschungen blieben jedoch erfolglos.“
Auffällig ist, dass bei den beiden Geschichten der Winzername des Finders des Rebbündels wechselt. Bei der späteren Variante von 1931 wurden die Informationen des Bürgermeisters von Arnsdorf Johann Knoll und des Wirtschaftsbesitzers Johann Karner hinzugezogen. Auch bei Frühwirth (2005), der über den Kremser und Wachauer Weinbau schreibt, sind Zweifel an der Richtigkeit der Geschichte des Neuburgers nachzulesen. Vor allem umstritten ist, ob der Rebbündelfund zufällig war. Mit der Erwähnung von einem Drittelteil des Bündels an Neuburger-Reben stand fest, dass die Reben von einem ausgedehnteren Bestand (mehr als einer Zufallsrebe) stammen mussten. Dies spricht für eine etwas länger bestehende Anlage.
Gleich ist jedoch die Verbindung mit einem Donauschlepper. In der Geschichte mit dem Schlepper namens Korneuburg fällt die örtliche Nähe zu Wien und der Thermenregion, der Wiege vieler österreichischen Rebsorten (vor allem der Silvaner-Kinder), auf. Hier sei angeführt, dass der ursprüngliche Name von Klosterneuburg und Korneuburg, als die Städte noch durch eine Furt verbunden waren, Nivenburg war. Später wurde daraus Neuburg. Ein Zusammenhang kann hier natürlich nicht zwangsläufig hergestellt werden. Außerdem existierten im Raum Korneuburg und Wien zu der Zeit große Rebflächen, die zwar mit der Zeit verschwanden, aber Quellen für Schnittreben gewesen sein könnten.
Der Siegeszug des Neuburgers
Neuburger kann mit Sicherheit als „Kind des Donauufers“ bezeichnet werden, vor allem auch, weil er der Legende nach als Rebbündel am Donauufer gefunden wurde. Der Deutsche Johann Philipp Bronner erfand diese Bezeichnung im 19. Jh. für die typisch österreichischen Sorten. Die Elternsorten Roter Veltliner und Grüner Silvaner waren in der Donaugegend vorhanden. Der Ursprung könnte in der Wachau liegen, obwohl mehrere Kremser Weinbauschuldirektoren und Fachmänner vergebens in der Wachau und Kremser Gegend nach den Mutterstöcken des Neuburgers gesucht haben. Die Wissenschaftler vermuteten deshalb eine Herkunft weiter östlich entlang der Donau, aus der Heimat des Silvaners. Ein älterer Hinweis vom NÖ Wein- und Obstbaudirektor Josef Löschnig zur Geschichte des Neuburgers würde diese These bestätigen, der einen Donauschlepper mit dem Namen „Korneuburg“ ins Spiel brachte.
Ab 1800 herum kam es in der Wachau zu einer vermehrten Anpflanzung von Qualitätsweinreben, weshalb der Silvaner um 1866 bereits einen wesentlichen Teil des Rebsatzes bildete. Es könnte sein, dass mit dem vermehrten Import von Reben aus der Silvaner-Heimat Wien/Thermenregion auch Reben einer unbekannten Anlage mit der Sorte Neuburger herangeschifft wurden. Einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung des Neuburgers dürften nach der Reblauskatastrophe die Rebschulisten, Fachmänner und Weinbauschulen geleistet haben, vor allem Franz Kober (Klosterneuburg) und Franz Schwabl (Baden). Als fachkundiger Entdecker und Förderer gilt der Kremser Weinbauschuldirektor Leopold Schellenberger, der 1895 auf den Neuburger in Spitz a. d. Donau aufmerksam wurde.
Obwohl der Neuburger heute nur noch als Nischensorte bezeichnet werden kann, galt er in der dunkelsten Zeit des europäischen Weinbaues als hoffnungsvolle Sorte. Auch heute sind Biodiversität und Sortenvielfalt nach wie vor unerlässlich in einem nachhaltigen Weinbau.
Der Autor
Ing. Johannes Friedberger, Fachlehrer HBLA und BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg sowie Winzer in Bisamberg
E-Mail: johannes.friedberger@weinobst.at