In Deutschland ist für den Blaufränkisch zuerst der Name Limberger zu finden. Auch in den Sitzungen der Int. Ampelographischen Kommission stand dieser Name als Hauptname zur Auswahl. Goethe führte in seinem Traubenatlas 1873 als auch im Wörterbuch 1876 den Namen Limberger in Württemberg an, neben dem Hauptnamen Blaufränkisch. Von Lemberger ist hier noch keine Rede.
Der Name Limberger bezieht sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Weinviertler Ortschaft Limberg (Maissau). Limberg war nachgewiesenerweise eine Rotweininsel. Kaiser Ferdinand etwa bezog für die Hoftafel Rotwein aus Limberg, der auch als Limberger bezeichnet wurde. In Österreich wurde der Rebsortenname Limberger nur einmal durch die Wiener Landwirtschaftsgesellschaft im Bezirk Krems genannt. Dort wird 1846 der Kremser Winzer Joseph Ziegler erwähnt, der bei Limberger und Weißem Muscateller den Herbstrebschnitt bevorzugt. Der Rebsortenname könnte also schon in Österreich für eine Rebsorte aus Limberg gestanden sein. Da Ziegler keine Rebsortenbeschreibung hinzufügt, kann keine genaue Bestimmung erfolgen.
In der Arbeit des österreichischen Geografen Blumenbach (1835), die auch den guten roten Wein von Limberg erwähnt, werden Rotweinsorten dieser Gegend genannt: „blaue fränkische Trauben“ und „Gänsfüßen“ (Großelternsorte von Blaufränkisch). Mit den fränkischen Trauben ist ziemlich sicher der heutige Blaufränkisch gemeint. Blumenbach bezieht sich vor allem auf die Arbeiten von Jaquin, Helbling und Mühlböck (Wachau). Daher dürfte es sich bei der Erwähnung von Limberger durch den Kremser Winzer Joseph Ziegler um den heutigen Blaufränkisch handeln.
In der Ampelographie von Burger (1837) ist Blaufränkisch nur als Schwarze Fränkische und Mährische beschrieben. Limberger erwähnt er nicht. Vor allem im Badner Raum hieß der heutige Blaufränkisch Mährische.
Blaufränkisch-Importe in Deutschland
Einer der ersten Importeure von Blaufränkisch-Reben in Deutschland dürfte der deutsche Weinbaupionier Bronner um 1841/42 gewesen sein. Er erwähnte den Limberger bereits 1853 bei einem Treffen der deutschen Wein- und Obstproduzenten, jedoch ohne genauere Herkunft. Bronner besuchte 1841 das Weinbauland Niederösterreich sowie die Steiermark, Ungarn und Mähren. Daraufhin legte er in seiner Heimat Wiesloch eine Österreich-Sammlung an Rebsorten an, mit Sortenschwerpunkt aus der Umgebung von Wien und der Thermenregion. Hier war wohl schon der Blaufränkisch dabei. Vielleicht sandte ihm der österreichische Ampelograph Burger die Setzlinge zu.
Bronner entwickelte, auch aufgrund der Erfahrungen mit den österreichischen Sorten, seine Theorie über die Rebsortenherkünfte. Er nannte die autochthonen Rebsorten „Kinder des Donauufers“. Dass er den Namen Limberger wählte, könnte daran gelegen sein, dass es keine bessere Variante gab. Burger nannte als Synonyme Schwarzgrobe (ein viel zu allgemeiner Name), Schwarzen Muskateller (völlig unpassend) oder Schwarze Fränkische (war in Deutschland mit Blauem Burgunder oder anderen Sorten wie Süßschwarz besetzt). Es blieb die Mährische, was aber wohl zu allgemein und ebenfalls in Deutschland für andere Sorten besetzt war. Daher dürfte es der wohl seltene österreichische Rebsortenname Limberger geworden sein, was noch am ehesten dem Mährischen gleichkam.
Bronner handelte vor allem mit den Rebschulen von Baumgartner und Schlumberger (Thermenregion) und arbeitete auch mit Burger zusammen. Er gab wohl immer wieder Pflanzmaterial an andere Versuchsweingärten und Sortensammlungen weiter. Hier sollen vor allem Dornfeld aus Weinsberg und Single aus Stuttgart angeführt sein. Auch von Rebschulen aus dem Retzer/Limberger Raum wurden Blaufränkische/Limberger-Reben angeboten, was durch spätere Belege nachweisbar ist.
Durch die Arbeiten von Hachenberger (1996, 2000) und Krämer (2006) ist gut dokumentiert, dass der Lemberger wohl kaum vor der zweiten Hälfte des 19. Jh. in Württemberg eingeführt wurde. In keinem der Weinbaufachbücher, die vor 1860 geschrieben wurden, wird die Traube erwähnt. 1860 wird der Limberger in der Ampelographie von Single als in Württemberg noch wenig bekannte, aus Österreich stammende Sorte beschrieben. Er berichtet von mehreren Gegenden Österreichs, aus denen Blauer Portugieser und Limberger wahrscheinlich als Mischsatz bezogen wurde.
Namensgebung des Limbergers
Die Blaufränkisch-Reben wurden sehr wahrscheinlich aus der Thermenregion in die Region Limberg/Retz importiert. Ob dem Blaufränkisch aufgrund des bekannten Limberger Rotweines oder aufgrund von Rebenexporten aus dem Limberger Raum nach Württemberg der Name übertragen wurde, kann nicht mehr einwandfrei geklärt werden. Es könnte sein, dass vor dem vermehrten Export von Blaufränkisch-Reben aus den Rebschulen von Schlumberger und Baumgartner (Thermenregion) Pflanzmaterial aus der Limberger Gegend nach Württemberg gelangt ist. Dies ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Schlumberger selbst nannte 1870 seine Blaufränkisch-Reben mit dem Hauptnamen Limberger. Im Badener Raum stand der Name „Mährische“ schon vor Schlumberger für den Blaufränkisch. Limberg würde man nicht unbedingt zum Mährischen Raum zählen, aber doch an der Grenze dazu. Vor allem liegt Limberg gleich in der Nähe der historischen Rotweininsel Retz, unweit der Mährischen Grenze.
Der berühmte Pollauer Rotwein um Nikolsburg, Feldsberg im südmährischen Raum wurde mehrheitlich aus dem Blauen Zierfandler gefechst. Dieser Wein könnte bei der Namensgebung des Limbergers mitentscheidend gewesen sein. Eine Namensbeziehung könnte unter anderem wegen einer Anpflanzung im Jahr 1812 des Grafen Moritz von Fries in Bad Vöslau mit original Burgunderreben und Traminer (Fränkische) entstanden sein. Fries hatte diese vom Grafen von Dietrichstein bekommen, dem die Herrschaft Nikolsburg in Mähren gehörte. Vielleicht übertrug sich auch hier der Name der Mährischen Burgunderreben (Fränkische) auf den Blaufränkisch.
Im französischen Standardwerk von Viala und Vermorel (1901 – 1910) ist in der Beschreibung des Limbergers ursprünglich vom Blaufränkisch die Rede. Diese Bezeichnung fanden sie aber nicht geeignet und bevorzugten daher Singles Namen Limberger. Der Limberger dürfte durch elsässische Rebschulen über mehrere Zwischenstationen in ganz Frankreich verbreitet worden sein (gemeinsam mit Blauem Portugieser).
Die Bezeichnung „Lemberger“
In der Literatur wurde in vielen Arbeiten über die Namensherkunft des Lembergers diskutiert. Auszuschließen ist, dass der Name von der südukrainischen Stadt Lemberg oder vom slowenischen Ort Lemberg südlich von Marburg kommt.
Der Blaufränkisch wurde vor allem durch die Weinbaufachmänner Bronner und Dornfeld in Württemberg als Limberger eingeführt, beworben und auch so benannt. Im württembergischen Raum wurden Blauer Portugieser und Limberger oftmals gemeinsam aufgezählt, angebaut und teilweise auch verwechselt. Das bestätigt etwa die Ampelographie von Single (1860, Württemberg). Er schreibt, dass das Rebmaterial von gemeinsam angebautem Limberger und Portugieser aus Österreich stammte und in der Gegend von Baden und Württemberg allgemein als Portugieser bezeichnet werde. Die Reben dürften schon gemischt von Österreich nach Deutschland exportiert worden sein. Single beschreibt den Limberger sehr positiv. Beim Blauen Portugieser schreibt er sogar, dass man eine Vorliebe für diese Sorte gewinnen muss.
Bei einer Weinausstellung deutscher Obst- und Weinzüchter 1867 zählte ein Kaufmann aus Rottenburg/Neckar zwei Weine auf: einen 1865er Portugieser und einen Limberger. Später wird derselbe Wein nochmals als Lemberger angeführt. Dass es sich hier um einen Schreibfehler handelt, kann nicht ausgeschlossen werden.
Dass der Blaue Portugieser und der Blaufränkisch im Neckartal vermehrt angebaut wurden, ist auch bei den französischen Autoren Viala und Vermorel (1901 – 1910) nachzulesen. Sie bestätigen zudem, dass auch in Frankreich der Limberger/Lemberger mit dem Blauen Portugieser verwechselt wird.
Herkunft des Namens Lemberger
Erst knapp vor der Gründung der Int. Ampelographischen Kommission wird 1871 in einer Arbeit von Martin Fries aus dem Württemberger Raum die Sorte Lemberger beschrieben. Darin ist zu lesen: „Der blaue Lemberger: Diese Rebsorte wird erst seit wenigen Jahren in Württemberg angebaut, kommt aus Österreich und wird namentlich in den Klosterweinbergen zu Lemberg sehr häufig angebaut, so dass ihr der Name Lemberger beigelegt wird, daselbst wird er aber als eine Abart des Blauen Portugiesers betrachtet, und zwar als eine spätreifende, weil die Reife um 8 Tage später eintritt. … Der Lemberger kann zu den besten Weintrauben gezählt werden, ist frühreifend und sehr ergiebig und liefert, wenn auch weniger süßen, dennoch einen geistreichen und bouquetreichen Wein von schöner rother Farbe und großer Haltbarkeit.“
Da Fries die Gegend von Stuttgart/Württemberg beschreibt, ist davon auszugehen, dass hier ein Lemberg bei Stuttgart gemeint ist. Recherchiert man zu Lemberg bei Stuttgart, ist Folgendes zu finden: „Der Lemberg ist ein Berg zwischen den Stuttgarter Stadtbezirken Weilimdorf und Feuerbach.“ Auf diesem Lemberg hatten schon die Kelten eine Befestigungsburg gebaut und auch die Römer betrieben Weinbau auf diesem Berg. Neben dem Berg „Lemberg“ gibt es auch einen Ortsteil Stuttgarts gleich unterhalb des Berges, der Lemberg/Föhrich heißt. Am Lemberg befindet sich auch eine ehemalige Mergelgrube, die angeblich von Weingärtnern angelegt wurde. Folgende persönliche Mitteilung stammt von Fabian Rajtschan, einem Weingutsbesitzer in Feuerbach: „Der Lemberg befindet sind hier in Feuerbach, einem Stadtteil im Stuttgarter Norden. Hier wird schon seit über 1.000 Jahren Weinbau betrieben. Bereits 1336 gab es drei Keltern und 80ha Rebfläche. Nach den 30-jährigen Kriegen gab es in Feuerbach kurzzeitig wenig bis gar keinen Weinbau. Die Rebfläche wuchs aber 1860 wieder auf bis zu 140ha an (heute noch 11ha).“
Auf diesem Lemberg bei Stuttgart war etwa zur Zeit von König Wilhelm I. (1781 – 1864) ein Musterweingarten der Königlichen Hof- und Domänenkammer angelegt. Darin dürfte sich auch der Limberger befunden haben. Als Kelterort könnte die Kelteranlage Zuffenhausen, am östlichen Rand vom Lemberg gelegen, gedient haben. Bis 1806 war das Kloster Bebenhausen bei Tübingen größter Grundeigentümer in Zuffenhausen und auch die Muster-Weingärten am Lemberg bei Stuttgart gehörten zuvor dem Kloster. Diese Klosterweingärten könnte Fries gemeint haben. Der deutsche Weingeschichte-Archivar Hachenberger vermutete in seiner Arbeit 1996, dass der Lemberger in den 50er-Jahren des 19. Jh. an die Hof- und Domänenkammer des Württembergischen Königshauses geliefert wurde, nämlich von Bad Vöslau in Österreich aus.
Zusätzlich bildete sich in Stuttgart ein Güterbesitzverein, der Versuchsweingärten anlegen ließ. Mitbegründer dieses Vereins und späterer Vorsitzender war Christian Single. Er war Wanderlehrer der Königlichen Zentralstelle und später Vorstand der Weinbauschule Weinsberg. Er besuchte das Weinbauland Österreich und Direktor Freiherr von Babo in Klosterneuburg sowie die Weinbauschule in Ofen (Ungarn). Vielleicht hat Single bei diesem Besuch mehr über den Blaufränkisch in Österreich erfahren. In seinen Protokollen nennt er ihn weiterhin Limberger.
Nach Singles Tod 1869 übernahm Inspektor Mühlhäuser den Direktorposten der Weinbauschule Weinsberg. In seinen Protokollen ist stets die Rede von Lemberger. Es hat den Anschein, dass Mühlhäuser die Bezeichnung Lemberger von den Versuchsweinbergen Singles in Stuttgart übernommen hat. Der Name Limberger kommt nicht mehr vor. Es ist davon auszugehen, dass die Nennung von Fries vom Lemberger kein Schreibfehler war (Limberger zu Lemberger), sondern eine bewusste Nennung der Rebsorte und ihrer Namensgebung – ausgehend von der Ortsbenennung und der Weinlage Lemberg bei Stuttgart. Die Benennung als Lemberger könnte somit vor allem von der Königlichen Weinbauschule Weinsberg und einer königlichen Musteranlage, die vermutlich am Lemberg lag, ausgegangen sein. König Wilhelm I. von Württemberg, auch „König unter den Bauern“ genannt, war durch seine Aktivitäten sicher einer der großen Förderer des Lembergers.
Interessant ist, dass etwas nördlich von Stuttgart die Genussregion „Lembergerland“ existiert. Dort gibt es auch eine gleichnamige Kellerei. Laut persönlicher Auskunft erhielt das Land den Namen aufgrund der vorherrschenden Rebsorte Lemberger. Weitere Auskunft der Kellerei: „Das Wort Lemberg bezeichnet eine Erhöhung aus einer morastigen Ebene.“ Wahrscheinlich bezieht sich das Wort Lem auf „Lehm“. Lehm wiederum gehört zur selben Wortgruppe wie altgerm. Leim. Dieses geht auf die indogerm. Wurzel (s)lei- (= „feucht, schleimig, klebrig, glitschig“) zurück und bedeutet ursprünglich „eine zum Verschmieren und Verkleben dienende klebrige Masse“.
Anmerkung der Redaktion:Das Werk „Historia Franconia“ von Johannes Friedberger umfasst mehr als 70 Seiten. Der Autor stellt erfreulicherweise das Originalmanuskript dem Weinbauverband frei zur Verfügung. Sie finden es hier.
Der Autor
Ing. Johannes Friedberger, Fachlehrer HBLA und BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg sowie Winzer in Bisamberg
E-Mail: johannes.friedberger@weinobst.at